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11. Januar 2013 – FNS – Kundgebung

Rund 25 Neonazis aus den Kreisen des „Freien Netz Süd“ (FNS) veranstalten kurzfristig von 19.00 bis 20.00 Uhr eine „Eilkundgebung“ gegenüber dem österreichischen Konsulat in der Ismaninger Str. 136.

Damit wollen sie sich mit dem bekannten Wiener Neonazi Gottfried Küssel solidarisieren, der bereits am Vorabend nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Wiener Straflandesgerichts wegen NS-Wiederbetätigung zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Küssel unterhielt in den letzten Jahren vielfältige Verbindungen zum bayerischen Kameradschaftsdachverband FNS und insbesondere zur Münchner Neonaziszene. Nach Küssels Inhaftierung am 6. April 2011 führten Münchner Neonazis sechs Tage später, am 12. April 2011, am Abend schon einmal eine „spontane“ Kundgebung ebenfalls am österreichischen Konsulat durch. Auf der Homepage des FNS wurde der Prozess gegen Küssel und zwei Mitangeklagte seither regelmäßig durch Artikel begleitet.

Anwesend auf der Kundgebung sind der FNS-Führungskader Norman Kempken (Nürnberg) und „Bürgerinitiative Ausländerstopp“-Funktionär Roland Wuttke (Mering) sowie u. a. die bekannten bayerischen Kameradschafts- und „Freies Netz Süd“-Aktivist_innen Roy Asmuß (Teising), Kai-Andreas Zimmermann (Fürth), Karl Heinz Statzberger (Markt Schwaben), Vanessa Becker (München), Stefan Friedmann (Bad Wörishofen), Thomas Huber (Garching), Steffen Willy Reiche (Geretsried) sowie BIA-Aktivist Florian G. (München) und die Anti-Antifa-Aktivisten Lorenz Maierhofer (Miesbach) und Philipp G. (Ebersberg). Der als Rechtsterrorist verurteilte Münchner Neonazi Thomas Schatt geht aggressiv gegen einen Journalisten auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor, Bereitschaftspolizist_innen schreiten ein und unterziehen Schatt einer Kontrolle.

Von der Kundgebung 2011 stammt das besprühte Bettlaken „Freiheit für Gottfried Küssel“, von der in „Aktionsbündnis Oberbayern“ umbenannten „Kameradschaft München Nord“ das Transparent „Eure Toleranz bedeutet Ignoranz – Widerstand gegen Meinungsdiktatur“, vom „Freien Netz Süd“ und der „Kameradschaft München“ das alte, einst dem Holocaustleugner Horst Mahler gewidmete Banner „Meinungsdiktatur überwinden – Für das freie Wort – Meinungsfreiheit darf in Deutschland nicht zu einer Mutprobe werden“.

Roland Wuttke raunt im ersten Redebeitrag antisemitisch vom Recht, das „zum Spielball von Hintergrundmächten geworden ist, wo diese Veranstaltungen, diese Gerichtsverhandlungen nur Tarnung sind“ und solidarisiert sich mit Gottfried Küssel, den Mitangeklagten sowie dem mehrfach wegen Holocaustleugnung verurteilten FPÖ-Politiker Wolfgang Fröhlich (Wien). Ein „makabres Schauspiel“ sei auch der in München anstehende NSU-Prozess. Statt einer Solidarisierung mit einigen oder allen dort Angeklagten erklärt Wuttke sie jedoch zu Geheimdienstmitarbeiter_innen: „Es ist klar, dass diese Beate Zschäpe, gegen die ein Prozess, ein Schauprozess geführt werden wird und die anderen Mitangeklagten, aber zumindest die Beate Zschäpe, eine Informantin des Inlandsgeheimsdienstes war oder möglicherweise mehrerer Inlandsgeheimdienste, das ist bekannt (…) die NSU, die hat es nie gegeben, das ist ein Märchen, eine Lüge, genauso wie das Märchen von der Demokratie in der Bundesrepublik oder von der Demokratie in Österreich“. Außerdem droht Wuttke den an der Verurteilung Küssels beteiligten Personen: „Wenn ihr mit den Besatzern und Handlangern der Siegermächte zusammenarbeitet und in unserem eigenen Land Unrecht geschehen lasst und Euch daran beteiligt, dann werdet Ihr dafür zur Rechenschaft gezogen. Denn nicht immer werden die Machtverhältnisse so sein, wie sie heute sind“.

Karl-Heinz Statzberger solidarisiert sich in seiner Ansprache mit Küssel, Holocaustleugner Horst Mahler und dem wegen Volksverhetzung inhaftierten Neonazi Axel Möller (Stralsund) und nennt das österreichische NS-Wiederbetätigungsverbot einen „Maulkorbparagraphen, (…) heute noch angewendet, um missliebige Oppositionelle in Österreich für lange Zeit beiseite zu räumen, (…) man kann sich das, das so vorstellen, wie damals die Hexenverbrennung abgelaufen ist.“ Absurde Vergleiche stellt Statzberger auch für die deutschen Strafgesetzparagraphen 129 und 129 a („Bildung/Mitgliedschaft in einer kriminellen/terroristischen Vereiningung“) an: „Auch der Paragraph 129 und 129a ist so ein politischer Paragraph. Die Amis machen das ja gerade sehr gut vor: Jedes Land, das nicht nach ihrer Pfeife tanzt, wird als Terroristenstaat beschimpft und niedergebombt. Doch auch die BRD schlägt mit dem Paragraph 129 um sich, dass es nur so kracht.“ Auch Statzberger, der selbst schon nach §129a zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, droht zum Abschluss mit einer Radikalisierung: „Solche politischen Prozesse werden immer mehr, was nur bedeuten kann, dass diese Unrechtsstaaten wie Deutschland oder Österreich nicht mehr lange bestehen werden. Möge die Repression auch härter werden, wir werden es auch.“

Roland Wuttke begrüßt anschließend einen „Kameraden aus der Schweiz“ , der sich mit einer kurzen, holprigen Rede abmüht (Fehler im Original): „Ist die Vermutung auf eine Nationale Gesinnung schon eine Schranke? Ist die Bekenntnis zur Heimat eine Straftat? Gilt Freiheit nur noch für auserwählte Personen? Und bei Kritik werden die Schranken willkürlich runtergesetzt. Ist das Meinungsfreiheit? Wieso versucht Österreich mit solch perfiden Methoden, heimatlich denkende Personen aus dem Verkehr zu ziehen?“

Kai-Andreas Zimmermann spricht in seinem Beitrag anschließend von einem „Tribunal“, bei dem die Richterin, Zimmermann nennt sie die „Tribunalsvorsitzende“, nicht der Argumentation der Verteidigung gefolgt sei: „Schließlich ging es hier auch nicht um ein rechtsstaatliches Verfahren, sondern um die Manifestierung der antinationalen Gesinnungssprechung in Österreich.“

Roland Wuttke hetzt zum Schluß zuerst gegen die Richter, die 2005 am Bayerischen Obersten Landesgericht in München Neonazis um Martin Wiese zu Haftstrafen verurteilten: „Wir haben hier in München einige dieser Skandalprozesse gesehen, egal wie diese Richter hießen, Brinkmann, Professor von Heintschel-Heinegg, Vorsitzender damals der sechsten Strafkammer, der sechsten Kammer des Oberlandesgerichts. Dieser saubere Professor ist jetzt mittlerweile in Pension und ist für eine Anwaltskanzlei in Straubing tätig. Aber es hat schon einiges zu bedeuten, wenn genau diese sechste Kammer des Oberlandesgerichts München auch den Prozess, den sogenannten NSU-Prozess wieder auf den Tisch bekommt. Man hat wohl bei der Abwicklung solcher Prozesse in München genügend Erfahrung“.

Dann kommt Wuttke schnell über „einen jüdische(n) Stadtrat“ in München, der angeblich „eine Falschaussage vor Gericht abgeliefert hat und dafür überhaupt nicht belangt wird“ zu seinem Lieblingsfeindbild, den Medien, „deren schmierige Vertreter immer wieder bei solchen Prozessen zugegen sind und ihre Berichte abliefern, wo es, wenn es gegen volkstreue Deutsche geht, den Medien nur recht ist, wenn das Urteil möglichst hoch ausfällt.“ Der antisemitische Verschwörungstheoretiker Wuttke weiß am Abend vor dem österreichischen Konsulat auch genau, warum: „300 Milliardärsfamilien“ hätten dies so angeordnet: „(…) zu diesen Milliardärsfamilien gehören natürlich auch einige Königshäuser, deren Namen immer wieder bei den Bilderbergerkonferenzen auftauchen. Das ist die weltweit bei den Globalisierern die führende Instanz und die haben eine sogenante operative Ebene, die ist drunter angeordnet, das sind die Konzerne, das sind die Medien, das sind die Banken, das ist sozusagen die operative Ebene. Dort wird das umgesetzt, was die Milliardärsfamilien anordnen (…) Und wir erinnern uns sehr wohl an den Vorfall, wo ein Bundespräsident Wulff gedacht hat, er könnte einem Chefredakteur eines Leitmediums, eines zionistischen Leitmediums, dem Chefredakteur der Bildzeitung, irgendwelche Vorschriften machen. Was für ein Irrtum. Dieser Mann glaubte wirklich, er sei der erste Mann im Staate. Was für ein Witz. Er ist nur eine Marionette.“

Der neonazistische Kameradschaftsdachverband „Freies Netz Süd“ veröffentlicht am 13. Januar 2013 auf seiner Webseite einen bebilderten Artikel über die Kundgebung.