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Rechte Vorträge zwischen Trambahnen – Die Internationale Edelmetall- und Rohstoffmesse

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hat im November 2022 erneut das MVG-Museum für die „Internationale Edelmetall- und Rohstoffmesse“ zur Verfügung gestellt: eine rechte Großveranstaltung mit mehreren tausend Besucher*innen.

Edelmetalle in Zeiten der Krise

In Krisenzeiten steigen die Furcht um den eigenen Besitz einerseits und der Wohlstandschauvismus andererseits. Bei den Sparer*innen wächst die Angst vor Zinsverlusten und, so hat es der Rechtsextremismusexperte Lucius Teidelbaum analysiert, auch die politische Rechte entwickelt in Krisenzeiten eine innige Beziehung zu Edelmetallen. Zum wiederholten Mal (seit mindestens 2016) hat am 4. und 5. November 2022 wieder eine sogenannte Edelmetallmesse im MVG-Museum stattgefunden. Diese wies erneut so zahlreiche Bezüge zur verschwörungsideologischen und extrem rechten Szene auf, dass sie als rechte Großveranstaltung eingeschätzt werden muss.

Der Eingang zur Edelmetall und Rohstoffmesse im MVG-Museum. Foto: Robert Andreasch

Zahlreiche Protagonist*innen der Szene versuchten im MVG-Museum, einem in Scharen strömenden, zumeist männlichen, Publikum Anlagen in Uran oder Lithium nahezulegen, sie verwiesen Anlegewillige auf zukünftige Riesenerträge in ihren noch zu bauenden südamerikanischen Edelmetallminen, sie warben mit hohen Renditen für ihre Silberanlagen und Goldsparpläne oder mit der Einlagerung in ihren angeblichen Hochsicherheitsgebäuden um das Geld der Besucher*innen. Eine Maske zum Schutz vor (Corona-)Infektionen trug hier trotz des großen Andrangs niemand. Fotografieren, darauf verwiesen viele Schilder, war streng untersagt. Frank Hoffmann (GS Management GmbH, Neustadt an der Orla) hat die Messe zusammen mit Jan Kneist organisiert. Hoffmann ist auch Herausgeber des „Goldseiten“-Magazins, das im Webseiten-Impressum den rechtsesoterischen Osiris-Buchhandel im niederbayerischen Schönberg als Kooperationspartner aufführt.

Auch in diesem Jahr fiel die Messe erneut durch einschlägig bekannte rechte Referenten bzw. Ausstellende und Kooperationen auf. Auf dem Programm standen am Freitag unter anderem Vorträge von Max Otte, Markus Krall und Claudio Grass. Der Buchautor Max Otte („’Weltsystemcrash‘ Wie Sie sich auf ein radikal neues Umfeld einstellen“) war im Januar 2022 von der AfD als Kandidat zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten benannt worden. Otte hatte der AfD in den vergangenen beiden Jahren mindestens 30 000 Euro gespendet. Markus Krall („Kann Europa die kommende Krise überleben?“) ist ein rechter und antifeministischer Aktivist einerseits, andererseits aber auch der Hauptgeschäftsführer der Degussa Goldhandel GmbH*. Claudio Grass trug bei der Edelmetallmesse am Freitag über das aktuelle Lieblingsthema der verschwörungsideologischen Szene vor, den sog. „Great Reset“. Die Coronapandemie hatte Grass schon früher geleugnet und als eine „Plandemie“ bezeichnet. In seiner Rede über den „’Great Reset‘ und was es wirklich bedeutet“ griff er im MVG-Museum das antisemitische Stereotyp vom, Zitat, „Kulturmaxismus“ auf und sprach über die Aktivitäten von Intellektuellen und Kulturschaffenden hin zu einer sozialistischen Revolution. Andere Referenten führten teilweise vor einer vierstelligen Zahl Zuhörender über „Merkels desaströse Energiepolitik“ aus oder ließen Tiraden gegen die derzeitigen Lieblingsfeindbilder der Rechten los, darunter z. B. die Medien, die „1968er“, das Gendern, Quoten oder „Fridays for Future“. Für Samstag wurden anderem ein Auftritt von Carlos A. Gebauer (Autor des rechten Blogs „Achse des Guten“ und ein bekannter Coronamaßnahmengegner) beworben. Gebauers Vortrag war dann schlecht besucht und reichlich unspannend: „Braucht Deutschland ein neues Grundgesetz“.

Von „Kabale“, „Hochfinanz“ und einem False-Flag-Atombombenanschlag

Der Fondsmanager und „Goldseiten“-Autor Matt Piepenburg sagte in seinem Vortrag über die amerikanische Notenbank, diese sei in einer Geheimsitzung von einer „Kabale“ gegründet worden. Ihre „Mischung von Politik und Hochfinanz“ sei gefährlich und eine Vorlage für den Faschismus der 1930er-Jahre gewesen. Mit der Aufnahme des FED-Systems in amerikanische Bundesgesetze im Jahr 1913 sei ihre Gründung zum „finanziellen Staatsstreich“ geworden. Er zeichnete wie andere Redner der Messe das Bild einer düsteren Zukunft: Nach einer tiefgehenden Wirtschafts- und Währungskrise drohten totalitäre Zustände, wie der Nationalsozialismus und der Sowjetkommunismus gezeigt hätten. Zurzeit sieht Piepenburg einen linken Totalitarismus am Werk mit „zentralisierter sozialer Kontrolle“, er zitierte hierzu eine AfD-Europaparlamentarierin. Im Rahmen eines „Reset“ würden die freien Märkte beseitigt und politische Kontrollmechanismen installiert. Als Beispiel für eine angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit führte er den Umgang mit kritischen Positionen zur „Impfstoffwissenschaft und -politik“ im Rahmen der Corona-Pandemie an. Diese erinnerten ihn zuweilen an Maximilien de Robespierre, George Orwell und Joseph Goebbels (!).

Außerdem sprach am Samstag Peter Denk auf der Messe, Redner beim diesjährigen „Grenzwissen“-Kongress des rechtsesoterischen Osiris-Verlags. Denk verbreitete eine in verschwörungsideologischen Kreisen  aktuell populäre Erzählung, in der böse Kräfte im Hintergrund („Tiefer Staat“) von einer Allianz der Guten („White Hats“) bekämpft werden, welche den Ersteren auf die Schliche gekommen sind. Dieser Kampf tobe unbemerkt von der Mehrheitsbevölkerung. Denk kündigte an, die russische Armee werde in Deutschland und der Schweiz einmarschieren, um die Bundeswehr im Kampf gegen den „tiefen Staat“ zu unterstützen. Denk behauptete des Weiteren, er habe über persönliche Kontakte Einblicke ‚hinter die Kulissen‘, etwa durch eine Person, die Wladimir Putin näher kenne und raunte von einem geplanten False-Flag-Atombombenanschlag sowie einem Krieg zwischen der Nato und Russland noch in diesem Jahr.

„Von Great Reset“ und „türkischen Zuständen“

Mit Thorsten Polleit stand neben Markus Krall ein weiterer Mitarbeiter der Degussa Goldhandel GmbH auf dem Programm der Messe. Polleit ist Gründer des Ludwig-Mises-Instituts, einem wichtigen marktradikalen Thinktank aus dem Umfeld der AfD. Polleit bezog sich in seinen Ausführungen über die aktuelle Inflationsrate und eine angeblich drohende Hyperinflation auf die Verschwörungserzählung des „Great Reset“. Die Inflation sei ein Werkzeug einer Umgestaltung der Gesellschaften weltweit, die mit einer überzogenen Klimaschutzpolitik und gezielter digitaler Kontrolle einhergehe. Polleit kam zu dem Schluss, dass mit Blick auf die Inflation „türkische Zustände“ bald der deutschen Wirtschaft „die Türe eintreten“ würden.

Die Aussteller*innen

Der rechtsesoterische „Osiris“-Verlag stellte in diesem Jahr einen der größten Messestände auf der Veranstaltung. Prominent im Eingangsbereich des MVG-Museums platziert, wurde ein gruseliges Sortiment an Büchern und DVDs verkauft. Zum Angebot gehörten neoproprietäre und marktradikale Autoren wie Friedrich August von Hayek oder Thorsten Polleit, aber auch verschwörungsideologische und esoterische Bücher über die ‚wahren Mörder‘ von Prominenten wie John F. Kennedy, über „Die Rothschilds“, den „Skalarwellenkrieg“, ein „Globales Killernetzwerk“, über „Geistiges Heilen“, „5G-Mobilfunk und Corona“ oder eine angebliche „Plandemie“. Ein Band versprach Informationen zur „Selbstverteidigung mit freien Waffen“ wie Elektroschockern, Gaspistolen und Hieb- und Stichwaffen. Auch das neonazistische Buch „Rebellen für Thule“ aus Wilhelm Landigs „Thule-Trilogie“ wurde offen verkauft. Außerdem gab es das „Staats-Antifa“-Buch aus dem Kopp-Verlag auf dem Verkaufstisch, dessen Autor Christian Jung seit Jahren die Landeshauptstadt München, ihren Oberbürgermeister und die demokratische Zivilgesellschaft der Stadt angreift. Mit Flugblättern warb man für Bücher wie „Corona aus Sicht eines Okkultisten“ „Die Geburtsstunde der Lügenpresse“ oder „Inside Corona – Die wahren Ziele hinter Covid-19“. Flyer gab es auch von der Webseite „Neue Medien Portal“, die von den in mehrere Ermittlungsverfahren verstrickten Corona-Maßnahmengegnern Sucharit Bhakdi und Ronald Weikl („Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V., Passau“) betrieben wird. Der Verlag bot auch DVDs an: Aufnahmen des „Grenzwissen“-Kongresses mit einschlägigen Redner*innen standen neben einem Film über angebliche tägliche Kontakte zu Außerirdischen und der Verfilmung eines Buches des Kopp-Verlags über eine „geheime Elite sehr wohlhabender und einflussreicher Männer in London“, die in Wahrheit den Ersten Weltkrieg begonnen habe. Eine weitere Produktion aus gleichem Haus basierte auf dem Band „Beuteland“, der behauptet, Deutschland sei nach 1945 „von den Siegermächten regelrecht ausgeplündert worden“ und über die „ruinöse Masseneinwanderung unter der Flagge des Multikulturalismus“ klagt. Ebenfalls angeboten wurde ein Mitschnitt von der „2. Konferenz für Souveränität“ des extrem rechten Compact-Magazins.

Am Stand von Ralf Fliers Zeitschrift „Smartinvestor“ (Wolfratshausen) wurden am Freitag viele Exemplare der ultrarechten, marktradikalen Zeitschrift „eigentümlich frei“ verteilt. Das „eigentümlich frei“-Logo tauchte wiederum auch in der Auflistung der Medienpartner*innen der Messe auf. Im verteilten aktuellen Exemplar wird die Corona-Pandemie als „künstlich hergestellt und fabriziert“ geleugnet. Außerdem wird die antiamerikanische Propaganda der extremen Rechten zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine abgefeuert: „Es sind die herrschenden Banden der USA in Zusammenarbeit mit ihren europäischen Schoßhündchen, die dieses Ziel der Weltherrschaft verfolgten und immer noch verfolgen und die das auch gesagt haben. Sie haben Putins Russland – das den US-EU-Westen als dekadent betrachtet und sich den westlichen Versuchen der wirtschaftlichen und kulturellen Infiltration widersetzt – mit US (Nato-) Truppen in unmittelbarer Nähe eingekreist.“

Esoterisch wurde es am Stand des österreichischen „Volkskraftwerks“ um Michael Ecker geraunt. Der verteilten Selbstbeschreibung zufolge wolle man „elitären Kreise[n], welche eine gemeinsame Vision haben und diese auch verfolgen“ eine „Gemeinschaft(…) für Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe“ entgegensetzen. Auch Ecker hatte in einem Vortrag auf der Edelmetallmesse vor einem sozialen Kollaps, der vermeintlichen Verschwörung des „Great Reset“ und der Einführung eines „Social-Credit-Systems“ gewarnt. Der selbsternannte „Volkstribun“ klagte auch sonst viel über böse Kräfte, die gegen ihn arbeiteten. Als Lösung stellt er zum einen seine Kooperation mit Teilen der Habsburger-Dynastie vor, die er „Flamme des Friedens“ nennt. Der Kaiser Franz-Josef habe Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Nachfrage eines Bankers der jüdischen Familie Rothschild, warum man keine Demokratie und Zinseszinsgeld einführe, geantwortet, dass man das Volk schützen wolle vor Bankern und Politikern. Ecker sammelte auf der Messe Geld für seinen Verein „Volkskraftwerk“ und für Investitionen in angeblich hocheffiziente Techniken zur Energieerzeugung.

Von „Numerologie“, der „Illuminatenfabrik“ Hollywood und dem Volksverhetzungsparagraphen

Den Abschluss der Messe bildete ein langer, verworrener Vortrag von Anlageberater Steffen Paulick. O-Ton Paulick: Man lebe in Deutschland im „tiefsten Sozialismus“, nicht-konforme Menschen würden ausgegrenzt, der Staat sei übergriffig. Fernsehen sei Volksverblödung, Euro und Papiergeld seien Schuldscheine. Nachrichten würden nachgerichtet, es gebe keine Meinungsvielfalt mehr. Der Krieg in der Ukraine sei nur ein Vorspiel für etwas Größeres, so Paulick. Er wisse nicht, was im Hinterzimmer noch geplant sei, aber die Verantwortlichen seien alle miteinander verbunden, was die Medien aber nicht zeigten. Die EU sei ein Zentralstaat, die Laiendarstellertruppe der deutschen und europäischen Politiker*innen habe bald ausgedient. Er zweifelte den menschengemachten Ursprung des Klimawandels an und nahm Bezug auf Verschwörungserzählungen zu den islamistischen Anschlägen am 11. September 2001. Als „genderfrei“ bezeichnete Paulick seine Sprache und gab an, er müsse aufpassen, was er sage, aufgrund des neuerlich verschärften Volksverhetzungsparagraphen. Seinen Vortrag bezeichnete Paulick als „Gruppentherapie“, er hoffte, dass seine Zuhörer so wie er selbst schließlich „verhaltensauffällig“ würden. Sie sollten kreativ sein, sich nicht von dem „staatlichen Diktat“ bevormunden lassen und auf die Straße gehen.

Paulick erzählte, er habe früher für die Goldhändler Pro Aurum und Auragentum gearbeitet, heute setze er jedoch auf Platin. Seine Präsentation bestand vor allem aus Memes und Karikaturen, außerdem zeigte er immer wieder Graphiken von Kursverläufen. Methodisch stütze er sich auf „Chart-Technik“ und „Numerologie“, um Trendwenden zu erkennen. So griff er immer wieder beliebige Zahlen heraus, wie die 760 in einem Platinkursgraph und erklärte, sie stehe in Verbindung mit der Ordnungszahl von Platin 776. Es könne sich „eine massive Unterstützung ausbilden für Platin“. Was das genau heißen soll, blieb unklar – es ist Teil seiner „Numerologie“, in die er anscheinend beliebig Annahmen projiziert. Weiter führte Paulick aus: Die „Hochfinanz“ verständige sich über „Numerologie“, Hollywood sei eine „Illuminatenfabrik“. Die Technik funktioniere, weil niemand daran glaube und die Botschaften so im hellen Licht der Öffentlichkeit, etwa in Filmen untergebracht werden könnten. Jetzt würden daher Katastrophenfilme wie „Avatar“ produziert. Auch Paulick beherrschte die Strategie, seine Zuhörer*innen über Angstnarrative zu beeinflussen: Die Russlandsanktionen schädigten Deutschland, warnte er etwa. Paulick fragte sein Publikum: Wer diktiert uns die Sanktionen? Das lasse er jetzt bewusst ergebnisoffen, fuhr er bedeutungsschwanger fort. Auf Basis unter anderem der schweizerischen Hypothekenzinsen prophezeite er einen großen geopolitischen Konflikt, für den der Krieg in der Ukraine nur der Anfang sei. Im Unterschied zu den meisten Referenten auf der Messe riet Paulick seinen Zuhörenden zu Investitionen in Platin und andere Edelmetalle, aber nicht in Gold. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz, den Paulick „Bundes-Olaf“ nannte, könne bald ein „Goldverbot“ erlassen.

*Laut einem Bericht des Handelsblattes wurde Krall zwischenzeitlich als Sprecher der Geschäftsleitung der Degussa GmbH freigestellt.