Am Samstagmittag beginnt auf dem Königsplatz eine Demonstration der Pandemieleugner*innenszene. Sie steht unter dem Motto „Macht Frieden“ und bezieht sich auf die zeitgleich stattfindende Sicherheitskonferenz. Organisiert wird die Versammlung durch ein Bündnis mit dem gleichen Namen, das Gruppen der Pandemieleugner*innenszene wie „München steht auf“ vereint. Rund 2200 Teilnehmende reihen sich ein, viele sind aus anderen Teilen Bayerns und anderen Bundesländern angereist. Auf einer Bühne treten der verschwörungsideologische Rapper „Kilez More“ und die Musikgruppe „Corona Bavaria“ auf. Auf den Materialtischen finden sich Flugblätter und Broschüren der Partei die „Basis“, der antifeministischen Gruppe „Demo für Alle“ sowie der extrem rechten Plattform „AUF1“, welche die Versammlung mit einem Kameramann begleitet und Interviews mit den Beteiligten führt. Transparente, Buttons und Schilder der Teilnehmenden fordern die Freilassung von Julian Assange.
Der erste Redner, Rainer Braun, verlangt unter anderem die Abschaffung der NATO und „Frieden mit Russland“. Er ruft seinen Zuhörer*innen zu: „Lasst uns die Kontakte nach Russland intensivieren“ und erntet dafür Jubel. Die nächste Rednerin, Ingrid Pfanzelt, klagt, dass auf der Sicherheitskonferenz im Hinterzimmer Kriege geplant würden und dass die Bundesregierung der Ukraine in einem Sicherheitsabkommen neue Unterstützung zugesichert hat. Sie klagt über die Angriffskriege der NATO, kritisiert jedoch nicht den Überfall der russischen Armee auf die Ukraine. Sie sieht die Schuld dafür anscheinend nicht auf der Seite des Putin-Regimes und spekuliert, dass der russische Überfall auf die Ukraine von der Sicherheitskonferenz 2021 mit einer „Friedensbotschaft nach Moskau“ hätte verhindert werden können. Diese einseitige Parteinahme für Russland zieht sich durch die gesamte Versammlung. So wenden sich Teilnehmende mit Schildern gegen die Unterstützung für die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland. Gerne kleiden sie ihre Postionen in ein pazifistisches Gewand, wie ein Teilnehmer mit der Botschaft „Ich bin nicht im Krieg mit Russland“, die auf einem Schild in den Farben der russischen Flagge prangt. Dabei werden auch in der Szene beliebte Disinformations- und Verschwörungserzählungen sichtbar: Ein Schild behauptet etwa „Nato verhindert Ukrainefrieden im März 2022“, ein anderes munkelt verschwörungsideologisch: „Wer Krieg will liefert Waffen wer Frieden will liefert Diplomaten. Gibt es einflussreiche Personen die keinen Frieden wollen? Sind wir alle Bauern in einem elitären Spiel um Einfluss und Macht?“
Auch Gertraud Angerpointner aus Rosenheim betont am Mikrofon, dass ihr Vater in russischer Kriegsgefangenschaft gut behandelt worden sei und dass die USA nicht die richtigen politischen Partner für Deutschland seien. Begleitet von großem Applaus ruft sie: „Wir senden zusammen eine Botschaft nach Russland: Wir wollen Frieden!“
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Dieter Dehm, stellt auf der Bühne sein Konzept für eine Querfront zwischen linken und rechten politischen Kräften vor, in dem er unter anderem fordert, die Linke müsse den Bezug zur Heimat anerkennen und Rechte verteidigen, wenn diese öffentlich zu Unrecht krisitiert würden. Dehm trägt außerdem ein Gedicht aus der Feder einer imaginären Verfasserin „Sophie Scholl 2.0“ vor, in dem er ein Zerrbild rechter Feindzuschreibungen zeichnet. Mit künstlich verstellter hoher Stimme zieht er über Menschen her, die gegen die extreme Rechte demonstrieren oder sich für Klimaschutz einsetzen. Er unterstellt ihnen Parallelen mit den Massenmorden der Neonazis, die sie laut Dehm angeblich gegen Rechte wiederholen wollten. In den Zeilen des Textes bringt er auch LGBTQI-Feindlichkeit unter, als er über eine Bundeswehr spricht, die auf ihrem Weg nach Moskau (!) im Regenbogen (, dem Zeichen der LGBTQI-Bewegung) erleuchte.
Jürgen Todenhöfer, ein ehemaliger CDU-Abgeordneter, Autor und mittlerweile Kopf einer eigenen Kleinpartei, verkündet in seiner Rede, Russland sei nicht allein schuld am Krieg in der Ukraine, der durch den russischen Überfall auf das Land begann. Der Konflikt sei ein „Krieg Amerikas“. Todenhöfer scheint Verständnis für die Attacke der russischen Armee zu haben, wenn er sagt, eine Weltmacht könne einer Umzingelung nicht tatenlos zusehen. Deutschland könne nicht jedem angegriffenen Land Waffen liefern, die Bundesrepublik müsse sich aus diesen „verfluchten Kriegen“ der USA heraushalten. Mit Blick auf die Situation in Gaza erklärt Todenhöfer, dass das Leid der Palästinenser unvorstellbar groß sei. In der Folge zieht er eine Verbindung zum Nationalsozialismus und sagt in Richtung der Palästinenser, dass erst wenn sie wie Menschen und nicht mehr wie Tiere behandelt würden, Deutschland seine Vergangenheit bewältigt habe. Gegenwärtig müssten die Palästinenser für die deutsche Schuld an den nationalsozialistischen Verbrechen „bezahlen“. Das ist nicht nur eine haltlose Behauptung, sondern auch eine Erzählung, die anschlussfähig für extrem rechte Narrative über einen angeblich ‚Schuldkult‘ im gesellschaftlichen Umgang mit dem deutschen Genozid ist. Todenhöfer erklärt weiter, in Gaza würde ein Massenmord an Kindern verübt und die Bundesregierung liefere Israel hierfür die Waffen. Sie verhalte sich unterwürfig und betreibe „Arschkriecherei“ gegenüber der israelischen Seite. Von den vermeintlichen jüdischen Kindermorden bis hin zu den, durch die historische Schuld zum Bückling gebrachten, deutschen Vertreter*innen, ruft Todenhöfer damit eine Reiher antisemitischer Topoi auf, die in der extremen Rechten populär sind. In Deutschland sieht Todenhöfer autoritäre Zustände mit „verfassungswidriger Zensur“ und meint daher fordern zu müssen, dass die Bundesregierung der Bevölkerung ihr Recht auf Meinungsfreiheit zurückgibt.
Eine Aktivistin einer propalästinensischen Gruppe aus Augsburg erklärt in ihrer Rede, in Gaza ermorde die israelische Regierung tausende Kinder. Die Jurastudentin sagt, es handele sich nicht um einen Notwehrexzess, weil es keine aktuelle Bedrohung für Israel gebe. Damit blendet sie den Terror der Hamas seit deren Angriff am 7. Oktober und die anhaltende Geiselnahme aus. Diese werden auf der selbsternannten „Friedensdemonstration“ den ganzen Tag über ebenso wenig krisitiert wie der russische Angriff auf die Ukraine. Die Rednerin fordert, die Bundesrepublik müsse ihre unbedingte Solidarität mit Israel aufgeben und ein Friedensstatement veröffentlichen.
Mit einem Demonstrationszug tragen die Teilnehmenden ihre Botschaften auch in die Innenstadt. Die Sprecherin des Bündnisses „Macht Frieden“, Mona Aranea, macht dabei Durchsagen gegen Aufrüstung, unter anderem im Namen einer selbsternannten „Menschheitsfamilie“. Dieser Begriff wurde maßgeblich durch den Schweizer verschwörungsideologischen Autor und Aktivisten Daniele Ganser geprägt. Aranea beschimpft die Partei die Grünen als „Faschisten“ und „Kriegstreiber“, fordert ein Ende der Unterstützung für die Ukraine und behauptet, es gebe in Deutschland einen Medienboykott die „Opposition“. Die ehemalige Grünenfunktionärin, die mittlerweile in der Pandemieleugner*innenpartei die „Basis“ aktiv ist, meint damit verschwörungsideologische Akteure wie „Macht Frieden“.