Am Samstagmittag organisiert die Gruppe „München steht auf“ aus der örtlichen Pandemieleugner*innenszene eine Kundgebung auf dem Rindermarkt. Das Thema der Versammlung ist „Frieden“, ein Feld mit dem sich die Szene seit dem russischen Überfall auf die Ukraine verstärkt beschäftigt. In ihren Augen sind an dem Krieg allerdings nicht der russische Angreifer, sondern die USA schuld.
Auf der Bühne vor dem Brunnen am Rindermarkt tritt ein Sänger auf, der inhaltlich auf einer Linie mit den Veranstalter*innen ist. Er bemerkt etwa, dass in seinen Augen, die Situation in der Bundesrepublik in Sachen Meinungsfreiheit schlimmer als in der DDR sei. Er breitet vor seinen Zuhörer*innen auch rechte Verschwörungserzählungen zu antifaschistischen Gegendemonstrant*innen aus, die demzufolge vermeintlich bezahlt von Steuergeldern durch das Land reisen, um gegen Oppositionielle vorzugehen.
Vor der Bühne finden sich rund 50 Zuhörer*innen ein. An zwei Ständen liegen Flugblätter, Aufkleber, Bücher und Zeitschriften aus. Die Gruppe „Freie Linke“ bewirbt vor allem sich selbst, „München steht auf“ bietet unter anderem verschwörungsideologische Bücher und extrem rechte Zeitschriften wie „Signal“ an. Auch eine Broschüre mit dem Titel „Gibt es eine Klimakrise?“ können Interessierte mitnehmen.
Am Mikrofon tritt zuerst Michael Aggelidis von der verschwörungsideologischen Partei „Die Basis“ auf. Er kritisiert die geplanten Rüstungsausgaben in Höhe von 250 Milliarden Euro und klagt über eine angebliche „Kriegshetze“ der Medien, welche die Waffenlieferungen an die Ukraine nicht krisitierten. Es dürfe nicht mehr Geld in die „unersättlichen Abgründe des Kiewer Regimes“ fließen, außerdem müssten die deutschen Rüstungskonzerne verstaatlicht werden. Der ukrainische Präsident Selenskyj sei ein „Obergauner“ mit gestohlenen „Blutgeldmilliarden“.
Dann redet Jürgen Todenhöfer, Vorsitzender seiner eigenen Kleinstpartei „Team Todenhöfer“, und zieht eine Parallele zwischen der geplanten Aufrüstung und derjenigen in den Anfangszeiten der nationalsozialistischen Diktatur. Er behauptet, es sei eine Lüge, dass Russland Deutschland angreifen wolle und der Krieg in der Ukraine von den USA „provoziert“ sei. Er halte Putins Überfall zwar für völkerrechtswidrig, deutsche Lieferungen von Marschflugkörpern an die Ukraine seien aber eine „Kriegserklärung“, die das Recht der Bevölkerung auf Widerstand nach Artikel 20 Grundgesetz nach sich ziehe. Todenhöfer wendet sich dann dem Krieg in Gaza zu, spricht von einem „rassistischen“ Vorgehen, und „Völkermord“. Waffenlieferungen an Israel seien in seinen Augen Beihilfe zum Mord.
Der letzte Redner ist der AfD-Bundestagsabgeordnete Reinhard Mixl aus der Oberpfalz. An seiner Einladung zeigt sich einmal mehr die tiefe Verflechtung der Pandemieleugner*innenszene mit der extremen Rechten. Mixl gibt sich vor allem als Finanzpolitiker, der vor einer „Entreicherung“ der Bevölkerung in Form einer schrittweisen Währungsreform als Mittel gegen die Inflation aufgrund der hohen Staatsausgaben warnt. Mit Verweisen auf seine eigenen Aktivitäten gegen die Coronaschutzmaßnahmen in Schwandorf biedert er sich bei seinem Publikum an: „Ich habe diverse Anzeigen gekriegt, ich kann ein Lied davon singen, was heißt vom Staat verfolgt zu werden“.
Mixl beschwert sich über die Kosten der „Massenmigration“ und erklärt, diese sei laut Grundgesetz nicht erlaubt. Der Finanzpolitiker führt daraufhin aus, dass angeblich in großem Stil Menschen in Staatsdienste gestellt würden (allein 100.000 in einem Jahr), die in der freien Wirtschaft gefeuert werden, damit es nicht auffalle, dass der wirtschaftliche Niedergang derart dramatisch sei. Ähnlich getränkt von Verschwörungsdenken sind seine Überzeugungen zu einem angeblichen „Krieg“, der gegen die Menschen in Deutschland geführt werde. Die Bevölkerung werde „entreichert“, damit sie leichter zu kontrollieren sei. Durch die Kapitalaufnahmen des Bundes steige laut Mixl die Geldmenge, damit stiegen die Preise. Das sei das Ziel „zum Krieg hinzu“ – verantwortlich für diese finstere Verschwörung soll anscheinend die Bundesregierung sein. Mixl weiter: „Der hybride Krieg, der gegen uns geführt wird, bezieht sich nicht nur rein auf Rüstung, sondern auch die Entreicherung der Bürger, denn wie unter Corona will man uns in den Griff bekommen, denn nur der arme Bürger ist leicht steuerbar.“ Der AfD-Abgeordnete betont, es sei metaphorisch „fünf nach Zwölf“, nicht „fünf vor Zwölf“ in dieser Hinsicht und fordert, dass sich mehr Leute der eigenen Bewegung gegen diese „Dramen“ und den „Krieg“ gegen die Bevölkerung anschließen sollten.
Nach der Auftaktkundgebung ziehen ungefähr 110 Teilnehmende in einer Demonstration durch die Innenstadt. Auf ihren Schildern sind Botschaften wie „Ich bin im Frieden mit Russland“, „Krieg beenden Diplomaten“ und „Unser Land versinkt in Korruption“ zu sehen. Ein Mann fordert „Freiheit für Maximilian Eder“. Eder ist ein ehemaliger Bundeswehrsoldat und Aktivist, der gerade in Frankfurt vor Gericht steht, weil er als Teil der Reichsbürgergruppe „Patriotische Union“ einen gewaltsamen Umsturz vorbereitet haben soll.
Auf der Abschlusskundgebung spricht mit Olaf M. ein Vertreter der Gruppe „Freie Linke“. M. lobt die AfD für ihre Migrations- und ihre Energiepolitik, ihre Haltung zu Russland sowie zu den Coronamaßnahmen. Die Partei sei in seinen Augen „nationalkonservativ“ und „eher unbedenklich“. Antifaschist*innen, die etwa gegen die Pandemieleugner*innenszene demonstrieren, erinnerten ihn dafür an die Schutzstaffel (SA) der NSDAP sagt M. Er lobt russische Propagandist*innen, die für ihre Kreml-treue Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine in das Visier deutscher Behörden geraten sind. In Deutschland sei eine Vorstufe des Faschismus an der Macht, die kritische Stimmen zum Schweigen bringe. Die Regierungspolitik müsse man daher „bekämpfen und zwar deutlich“.