Zur Unterstützung der Proteste gegen die Regierung in Kiew veranstaltet ein Bündnis von Ukrainer_innen eine „Mini-Maidan“-Aktion auf dem Sendlinger Tor-Platz. Mit zu den Verantwortlichen gehören aber auch zwei Aktivisten der deutschen und Münchner „Zellen“ (Eigenbezeichnung) der neonazistischen Partei „Swoboda“ („Freiheit“).
Die ukrainische Partei „Swoboda“ wurde 1991 unter dem damaligen Namen „Sozial-nationale Partei der Ukraine“ gegründet und 2004 in „Allukrainische Vereinigung ‚Swoboda'“ umbenannt.
Swoboda knüpft in ihrer rassistischen und antirussischen Ausrichtung durchaus an die „Organisation der Ukrainischen Nationalisten“ (OUN-B) unter Stepan Bandera an. Die OUN-B hatte zunächst mit Nazideutschland kooperiert. Im Juni 1941 proklamierte Bandera nach dem Einmarsch der Wehrmacht die ukrainische Unabhängigkeit. In der Unabhängigkeitserklärung war eine „enge Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Großdeutschland unter dem Führer Adolf Hitler“ vorgesehen, um so „dem ukrainischen Volk zu helfen, sich von der Moskauer Okkupation zu befreien“. Die UPA als militärischer Arm der OUN-B war bis 1944 an der Ermordung zehntausender Juden, Polen und Russen beteiligt.
Bandera wurde aufgrund der Unabhängigkeitserklärung 1941 von den Deutschen ins KZ Sachsenhausen deportiert, 1944 aber wieder entlassen. Anschließend kämpfte er zunächst mit den sowjetischen Partisanen gegen die Deutschen, dann wieder gegen die Rote Armee für die ukrainische Unabhängigkeit. Bandera ist auf dem Münchner Waldfriedhof begraben.
„Swoboda“ erhielt bei den jüngsten Parlamentswahlen in der Ukraine im November 2012 10,44 Prozent der Stimmen. Die Partei ist angedockt an die „Allianz der europäischen nationalen Bewegungen“, unter anderem mit dem französischen „Front National“, der „British National Party“ und der ungarischen „Jobbik“. Oleg Tyagnibok , den Vorsitzenden der Partei in der Ukraine, führte das „Simon Wiesenthal Center“ (SWC) im Jahr 2012 an Platz 5 auf seiner weltweiten Liste einflussreicher antisemitischer Politiker. Tyagnibok hatte laut dem SWC „Säuberungsaktionen“ gegen Jüdinnen und Juden in der Ukraine gefordert. Delegierte von „Swoboda“ besuchten im Mai 2013 die NPD im sächsischen Landtag.
Die „Euro-Maidan München“ -Aktion wird am Freitag, 31. Januar 2014, am Abend mit einer Kundgebung auf dem Sendlinger-Tor-Platz eröffnet. Zu den auf der Bühne Anwesenden und Redner_innen gehören mit Taras Berezhansky, dem Vorsitzenden der Münchner „Swoboda“-„Zelle“ und Stadtrat der Swoboda im ukrainischen Ivano-Frankivsk, sowie mit Alexei Emelianenko zwei wichtige „Swoboda“-Unterstützer.
Die beiden Aktivisten treten auf dem Sendlinger Tor-Platz als Privatpersonen auf, sind bei der Versammlung jedoch offiziell als Ordner bzw. Redner/Moderator eingesetzt.
Seit Beginn der Proteste Ende November 2013 sind auf dem Maidan-Platz in Kiew neben den blau-gelben Flaggen der Ukraine auch „Swoboda“-Parteifahnen und rot-schwarzen Fahnen. Die schwarz-rote Fahne wird auch von der Partei „Kongress Ukrainischer Nationalisten“ benutzt. Zugleich ist sie eine Reminiszenz an die ehemalige „Ukrainische Aufständische Armee“ (UPA).
In München ist das Erscheinungsbild anders als in Kiew: nur nationale Symbole sind erwünscht, die Veranstalter_innen untersagen ausdrücklich Parteifahnen und andere politische Kennzeichen. Während der gesamten Aktion versuchen die Organisator_innen, die Mitwikung der extrem rechten Partei nicht deutlich werden zu lassen.
Das ganze Wochenende wird aber auch auf dem Sendlinger-Tor-Platz die Parole „Ruhm sei der Ukraine“ – „Den Helden sei Ruhm“ gerufen. Diese alte Parole wurde auch von der „Ukrainischen Aufständischen Armee“ (UPA) benutzt, heute wird sie dennoch als Oppositionsparole wieder verwendet. Niemand schreitet ein, als eine Sängerin des Duos „Lilia und Maryna“ mehrfach mit dem“ukrainischen Dreizack“ grüßt – der Hand mit den drei abgespreizten Fingern und zugleich „Swoboda“-Parteisymbol.
In der Ukraine sind die drei Oppositionsparteien UDAR unter Vitali Klitschko (Akronym für „Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen“, „udar“ bedeutet auch „Faustschlag“), „Batkiwschtschyna“ („Vaterland“) unter der inhaftierten Parteichefin Julia Timoschenko und die nazistische „Swoboda“ unter Parteichef Oleg Tiahnybok die wichtigsten Teile der Protestbewegung. Tiahnybok, Klitschko und Arseni Jazenjuk, „Vaterlands“-Fraktionsvorsitzender, sind die Gesichter der Proteste auf dem Kiewer Maidan.
Mit Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk treten am Samstag, 1. Februar 2014, ab 12.00 Uhr, zwei der populärsten Oppositionspolitiker auch auf dem „Mini-Maidan“ in München auf. Der extrem rechte Tiahnybok nimmt dagegen an der Münchner Versammlung nicht teil. Er hatte in der Vergangenheit immer wieder die bayerische Landeshauptstadt besucht – zuletzt im August 2013, bei der Gründung der Münchner Parteizelle der „Swoboda“.
Neben Evgenia Timoschenko, der Tochter von Julia Timoschenko, spricht auch der ehemalige ukrainische Außenminister Petro Poroschenko zu den Veranstaltungsteilnehmer_innen. Poroschenko stellt in seiner Rede die Frage: „Was müssen wir tun, um gegen die derzeitige Regierung zu gewinnen?“ und beantwortet sie gleich selbst: „Vor allem müssen wir eins sein. Niemand darf einen Keil zwischen uns, zwischen die Oppositionsparteien treiben“. Was aber auch bedeutet, dass im Kampf gegen die Regierung somit auch die Kooperation mit Neonazis legitimiert ist.
„Swoboda“-Unterstützer Alexei Emelianenko hält wie schon am Freitag mindestens eine Ansprache von der Bühne. Der „Swoboda“-Funktionär Taras Berezhansky tritt wieder als Ordner auf der Versammlung und mit einem Theaterstück auf der Bühne in Erscheinung.
Auch demokratische Politiker_innen von den GRÜNEN und der SPD reden wie schon auf der Kundgebung, ohne sich von den mitveranstaltenden extrem Rechten zu distanzieren.
Am Sonntag, 2. Februar 2014 laufen mehrere hundert Teilnehmende um 12.00 Uhr in einer Demonstration über Oberanger und Marienplatz zum Odeonsplatz. Von der „Swoboda“ sind heute nur einzelne Sympathisant_innen dabei.
Auf der Abschlusskundgebung singt die bekannte ukrainische Schlagersängerin Ruslana die Nationalhymne.