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Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Bayern und München

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2013 zur erfolgreichsten Partei der extremen Rechten in Deutschland nach der Gründung der Bundesrepublik entwickelt. Ihr bayerischer Landesverband gründete sich am 30. März 2013 und besitzt heute ungefähr 4.000 Mitglieder. Nach der innerparteilichen Spaltung im Konflikt um Parteimitbegründer Bernd Lucke wurde im Oktober 2015 Petr Bystron zum Vorsitzenden der AfD im Freistaat gewählt, der das Amt bis zum November 2017 innehatte. Auf dem AfD-Landesparteitag am 25. und 26. November 2017 in Greding bestimmten die Delegierten Martin Sichert zu seinem Nachfolger.

In politischer Hinsicht scheint für die AfD in Bayern vor allem die Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migrant_innen sowie Muslime zentral. Außerdem sucht sie innerhalb wie außerhalb der direkten Wahlkämpfe die Auseinandersetzung mit anderen Parteien, der bayerischen Landes- und der Bundesregierung, Medienvertreter*innen und vermeintlichen „linken Ideologien“. In der Debatte um die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen machen Funktionär_innen des bayerischen Landesverbandes etwa Front gegen die ‚Ehe für Alle‘ und nutzen sie für Angriffe gegen andere Parteien. Aus Sicht der bayerischen AfD würden diese mit ihren Initiativen zur Anerkennung vielfältiger geschlechtlicher und sexueller Identitäten einer „großen Umerziehung“ Vorschub leisten, die geeignet ist „die Grundlagen unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu zerstören“. Mit Blick auf Bemühungen der zuständigen Behörden um die sexuelle Aufklärung von Schüler_innen behaupten die Vertreter_innen der bayerischen AfD außerdem eine angebliche „Frühsexualisierung“ von Heranwachsenden, die die Zuständigen aus ideologischen Gründen betreiben würden.

In ihrer Agitation gegen Muslime verbreitet die bayerische AfD gerne die Erzählung einer angeblichen „Islamisierung“, fordert rechtliche Einschränkungen für Muslime, etwa in Form eines Burkaverbotes und stellt den Charakter des Islams als Religion in Frage. Der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des AfD-Kreisverbands München-Süd, Wolfgang Wiehle, bezeichnete die Weltreligion bei einer Kundgebung am 19. Juni 2017 etwa als „…politische Ideologie, die die Gesellschaft nach der Macht greift und die Gesellschaft nach ihren Vorgaben umgestalten will, das umsetzen will.“ (sic) Der Islam gehöre nicht zu Deutschland, verbreitet die Partei, macht Stimmung auch gegen hier lebende Muslime und fordert in Abgrenzung eine „Leitkultur“ auf der Basis des „Christentums“.

Geflüchtete sind ein weiteres zentrales Ziel der Propaganda der bayerischen AfD: Auf ihren Veranstaltungen agitieren Funktionär_innen oft gegen Geflüchtete und beklagen ein angebliches „Asyl-Chaos“ und einen vorgeblichen staatlichen Kontrollverlust im Zuge der gestiegenen Anzahl von Geflüchteten. So schimpfte beispielsweise der AfD-Bundestagskandidat Bernhard Zimniok auf einer AfD-Kundgebung auf dem Münchener Goetheplatz am 14. September 2017 über „Horden an Wilden, die die Grenzen überwinden mit Gewalt“. „Migranten“ würden sich „feige“ aufmachen und dabei ihre Familien im Stich lassen. Auch die extrem rechte Chiffre der „Umvolkung“, die eine rassistische Erzählung eines angeblichen Austausches von Bevölkerungsteilen nach ethnischen Gesichtspunkten spinnt, verbreitete Zimniok als er in Richtung der Staatsregierung sagte: „Die CSU volkt um!“. Sein völkisches Staatsverständnis illustrierte der Bundestagskandidat anschließend in seinen Ausführungen über die Vergabe von Sozialwohnungen mit dem Satz „Ich wusste nicht, dass die Deutschen schwarz sind.“ Welche drastischen Regelungen in Sachen Einwanderung die bayerische AfD gerne implementieren würde, zeigte ihr Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf 2017, Martin Hebner: „Die Obergrenze der AfD beträgt null.“ Auch der bayerische AfD-Bundestagsabgeordnete Bystron bekräftigte diese Position im November nach der Wahl: „Die beste Grenze bei der Zuwanderung ist null.“

Die bayerische AfD nutzt für ihre Agitation gegen Zuwander_innen gerne eine Umwegkommunikation über das Feld ‚Innere Sicherheit‘, das sie oft ausschließlich in Verbindung mit von ihr skizzierten Bedrohungen durch Migrant_innen und Geflüchtete thematisiert. Der tatsächlichen Entwicklung der sicherheitspolitischen Situation in Deutschland zum Trotz, beschreibt die AfD eine angebliche gefährliche Zuspitzung gesellschaftlicher Zustände, die die Sicherheit der Bürger_innen massiv bedrohe und verbindet diese mit einer Agitation gegen Migrant_innen und Geflüchtete. So ist etwa eine Kernforderung eines AfD-Flugblattes zum Thema „Für ein sicheres München“, eine angebliche „Massenzuwanderung“ zu beenden und abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Wie die Bundespartei auch versucht die AfD in Bayern des Weiteren, die Sorge über islamistische Terroranschläge für sich auszuschlachten, indem sie diese als Ausgangspunkt für ihre politischen Forderungen nimmt, die sich gegen vor allem Muslime und Geflüchtete richten. Hierbei attackiert die bayerische AfD außerdem gezielt andere Parteien und die Bundesregierung: Der damalige Landesvorsitzende bezeichnete in einem Facebookpost etwa die neun Todesopfer des Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 als „Ergebnis der Untätigkeit“ der „Altparteien“.

Die AfD zeigt in ihrer Agitation gegen ein diffuses „Die-da-oben“ bekannte populistische Strategien, die für sich einen angeblichen Volkswillen reklamieren, den man in der „verkommenen Demokratie“ gegen die „Systemparteien“ und einen vorgeblichen „68-er-Sozialismus“ vertrete. Auch relativierende Vergleiche mit totalitären Regimen der Gegenwart und Vergangenheit scheut die AfD hierbei nicht, etwa wenn sie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz mit der Zensur der Staatssicherheit der DDR in Verbindung bringt oder Antifaschist_innen mit der SA und sich selbst mit den Opfern des historischen Nationalsozialismus vergleicht. In ihrer Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Medien und ihrem Einsatz für mehr Volksabstimmungen wird die populistische Stoßrichtung der Agitation der AfD Bayern besonders deutlich: Sie macht Stimmung gegen einzelne Zeitungen und Sender der angeblich „kontrollierten“ „Massenmedien“ und unterstellt ihnen eine angeblich unzulässig ideologisch verzerrte Darstellung, vor allem wenn sie selbst zum Ziel kritischer Berichterstattung wird. Dabei greift sie mitunter im Zusammenspiel mit anderen Akteuren der extremen Rechten auch gezielt einzelne Journalist_innen an und attackiert sie namentlich. Sowohl hinsichtlich der Medien als auch der anderen Parteien inszeniert sich die AfD in Bayern als Opfer eines vermeintlichen „Verschwörungskartells“, um die eigenen Anhänger zu mobilisieren.

Immer wieder bedienen sich Vertreter_innen der Partei in Bayern auch anderer Verschwörungserzählungen, wie etwa ein Auftritt von AfD-Kandidat Hansjörg Müller in Traunreut im August 2016 unterstreicht. Müller sprach dort von einem „Bevölkerungsaustausch“ von „eingeborenen Deutschen“ gegen „angeblich Schutzsuchende“, der „hinter den Kulissen“ von der Bundesregierung „vorangetrieben“ werde. Mit angeblicher Werbung für den „sogenannten Familiennachzug“ erfülle sie einen „Auftrag“ von Hintermännern unter anderem in den Vereinten Nationen. Diese und ähnliche völkische Verschwörungserzählungen über einen „Volksaustausch“ bei dem die „deutsche Bevölkerung“ durch Migrant_innen ersetzt wird finden sich im bayerischen Landesverband immer wieder. Müller ist mittlerweile Abgeordneter des Deutschen Bundestages und als Parlamentarischer Geschäftsführer außerdem Teil der Spitze der AfD-Fraktion. Auch verschwörungsideologisches Gedankengut der Reichsbürgerszene, nach dem die völkerrechtliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Frage steht, erfreute sich in der bayerischen AfD in der Vergangenheit erkennbar gewisser Beliebtheit. So bestätigte etwa Petr Bystron auf einer Veranstaltung mit dem Generalkonsul der USA im Jahr 2015: „…Es ist schon weit verbreitet unter unseren Mitgliedern die Sichtweise, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land ist.“ Als der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke auf einer Vortragsveranstaltung am 22.10.2015 in München eine neue, „eigene Verfassung“ statt des Grundgesetzes forderte, war ihm der Applaus des Publikums gewiss. Die Frage der Souveränität der Bundesrepublik beschäftigt die bayerische AfD weiterhin, so geben etwa die beiden bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer und Stephan Protschka an, sich im Bundestag für ein „souveränes Deutschland“ einsetzen zu wollen.

In der innerparteilichen Auseinandersetzung um die Frage, wie offen man extrem rechte Ideologie nach außen kommuniziert, positionieren sich Funktionär_innen und Mitglieder des bayerischen Landesverbandes immer wieder gegen Vertreter_innen einer weniger offensiven Gangart. So sprechen sich auch hochrangige Funktionäre und Abgeordnete gegen den Ausschluss von Björn Höcke, den bekanntesten Sprecher des offen völkischen Parteiflügels aus. Auf dem Landesparteitag in Greding im Dezember 2017 präsentierte der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron ein T-Shirt der Initiative „Weckruf“ von Ex-Parteibundessprecher Bernd Lucke, der zuweilen um ein scheinbar gemäßigteres Auftreten bemüht war, als „Trophäe“, die jetzt in seinem Büro hänge. Im April 2017 schrieb er als Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes zu seinem Selbstverständnis der AfD innerhalb der extremen Rechten: „Wir müssen als parlamentarische Partei das Schutzschild für all die Menschen sein, die sich bei Pegida, bei der IB, bei Sichere Heimat, Demo für alle etc. engagieren…Wir brauchen diese außerparlamentarische Opposition, um Druck auf die Systemparteien und Systemverbände auszuüben.“ In dieser „Schutzschildstrategie“ unterstützt die AfD Gruppierungen wie die aktionistische extrem rechte Identitäre Bewegung (IB) oder das extrem rechte Sammelbecken Pegida und arbeitet Hand in Hand mit ihnen gegen „Systemparteien und Systemverbände“. Getreu seiner skizzierten Vorstellungen veröffentlichte Bystron den zitierten Artikel auf dem rassistischen Blog PI-News, der sich zu einer wichtigen medialen Plattform für die extreme Rechte in Bayern und darüber hinaus entwickelt hat. Hier wird immer wieder für AfD-Positionen geworben und Funktionären der Partei die Möglichkeit gegeben, diese in Videobeiträgen zu verbreiten.

Im Bundestagswahlkampf 2017 erhielt die AfD Bayern auch direkte personelle Unterstützung von Aktivist_innen der Identitären Bewegung, so verteilte ein Vertreter der Gruppierung bei einem Infostand AfD-Materialien. Auch Pegida München, in deren Reihen sich gewaltbereite Neonazis und verurteilte Rechtsterroristen finden, beteiligte sich an der Wahlwerbung für die AfD, verteilte auf ihren Veranstaltungen Materialien der Partei und rief bei ihren Kundgebungen dazu auf, der AfD ihre Stimme zu geben. Ende September 2017 beschallte die Gruppierung auf ihren Veranstaltungen mithilfe ihrer Lautsprecheranlage die Münchener Innenstadt zeitweise im Zehn-Minuten-Takt mit einer „AfD-Hymne“ unter dem Titel „Für Deutschland die AfD“. Am Ende des dazugehörigen Videos prangte auf der Leinwand die Aufforderung: „Hol dir dein Land zurück! Am 24. September AfD wählen“. Seitens der Partei schienen schon zuvor wenig Berührungsängste zu einem der wichtigsten extrem rechten und teils offen neonazistischen Sammelbecken im Münchener Raum zu bestehen: Im Jahr zuvor leistete der damalige AfD-Funktionär und Beisitzer im Landesvorstand der Partei, Thomas Fügner, eigene Beiträge zu Pegida-Veranstaltungen. Vor einschlägigem Publikum hielt Fügner an zwei Terminen weitschweifige Reden gegen „Multikulti“.

Auch die Distanz der bayerischen AfD zu anderen Akteuren der extremen Rechten scheint gering, sogar bei der Auswahl der eigenen Funktionäre. So wechselte etwa Richard Graupner von den Republikanern zur AfD und fungiert für die Partei als Stadtrat in Schweinfurt, Stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Unterfranken und 2. Stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Kitzingen-Schweinfurt. Auch im Rahmen von Veranstaltungen wird die personelle Nähe der Partei zu anderen extrem rechten Akteuren deutlich: So fand etwa am 31. Juli 2016 vor der Bayerischen Staatskanzlei in München eine Kundgebung der Identitären Bewegung unter der Leitung des ehemaligen NPD-„Schulungsleiters“ und heutigen IB-Aktivisten Daniel Fiß statt. An der Kundgebung beteiligte sich mit Martin Simon auch ein Funktionär der bayerischen AfD. An Veranstaltungen der Partei wiederum nehmen immer wieder Sympathisant_innen und Vertreter_innen der Identitären Bewegung und anderer extrem rechter Gruppen wie Pegida oder dem „Bündnis deutscher Patrioten“ (BDP) teil. Für die musikalische Untermalung einer AfD-Kundgebung im oberbayerischen Geretsried sorgte im März 2016 beispielsweise der BDP-Rapper „Chris Ares“.

Im extrem rechten Spektrum Bayerns nimmt die AfD eine wichtige Stellung ein: Als zurzeit erfolgreichste Partei, die mittlerweile im Bundestag und vierzehn Landesparlamenten verankert ist, hat die AfD ungleich mehr Ressourcen zur Verfügung als alle anderen Akteure. Außerdem gelingt es ihr immer wieder, in politischen Debatten über die extreme Rechte hinaus Einfluss zu nehmen. Ihre Agitation unter anderem gegen Geflüchtete, Migrant_innen, Muslime, sexuelle Vielfalt aber auch die Vertreter_innen des demokratischen Gemeinwesens und der Zivilgesellschaft befördert Ressentiments und Ausgrenzung in der gesamten Gesellschaft. Nach dem erfolgreichen Einzug von 14 bayerischen Listenkandidat_innen in den Bundestag, wird sich die finanzielle Ausstattung der AfD in Bayern stark verbessern. Mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst 2018 steht zu erwarten, dass die Partei versuchen wird, den Ausbau ihrer Strukturen weiter voranzutreiben und sich dauerhaft als bestimmender Akteur der extremen Rechten in Bayern zu etablieren.

 

Stand: Ende November 2017

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