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„Bürgerinitiative Ausländerstopp München“ (BIA)

Die neonazistische „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) trat erstmalig im September 2007 in Erscheinung. 2008 und 2014 beteiligten sich Neonazis aus NPD und Kameradschaftsszene auf der Liste der BIA an den Kommunalwahlen in München. Karl Richter war jedes Mal Spitzenkandidat, auf den folgenden Listenplätzen kandidierten weitere bekannte Personen aus der extrem rechten Szene Münchens.

Auf Listenplatz 2 kandidierte 2014 mit Vanessa Becker (Jahrgang 89) eine Vertreterin der neonazistischen Münchner Kameradschaftsszene und Aktivistin des „Freien Netz Süd“, unter dessen Dach sich bis zum Verbot 2014 etwa 20 Kameradschaften versammelten. Aus ihrer Gesinnung machte Becker keinen Hehl: Sie trägt ein Tattoo mit schwarz-weiß-roter „Reichsfahne“ und dem Spruch „Klagt nicht, kämpft!“ zur Schau und postet im Internet schon mal Parolen wie: „Freiheit, Arbeit, Recht und Brot. Nationaler Sozialismus bis zum Tod!“. Von Dezember 2012 bis Juni 2014 bewohnte Becker mit zwei weiteren bekannten Neonazis ein Haus in München-Obermenzing. Dieses Haus entwickelte sich zu einem Zentrum neonazistischer Aktivitäten in München. In den ausgebauten Kellerräumen und im Garten fanden regelmäßig Schulungstreffen und Kameradschaftsabende mit Teilnehmenden aus ganz Bayern statt.

Sowohl 2008 als auch 2014 ließ sich Fred Eichner für die BIA aufstellen. Eichner war ehemaliger Bereichsleiter Süd der neonazistischen Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF), ehemaliger Vorsitzender des 1993 verbotenen „Nationalen Blocks“ und führender Aktivist des inzwischen aufgelösten neonazistischen „Freizeitverein Isar 96 e. V“.

2014 wählten 0,7% bzw. 3069 Münchnerinnen und Münchner die BIA. Das war zwar nur noch die Hälfte der Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2008, reichte aber dennoch für den Einzug von Karl Richter ins Münchner Rathaus.

Wer ist Karl Richter?

Karl Richter ist 1962 in München geboren. Als Publizist und Politaktivist hat er bereits eine lange Karriere im extrem rechten Spektrum hinter sich. Er war parlamentarischer Mitarbeiter des ehemaligen NPD-Funktionärs und REP-Europaabgeordneten Harald Neubauer, Chefredakteur der extrem rechten Zeitschriften „Deutsche Rundschau“, „Nation & Europa“, „Opposition“ und der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ sowie Funktionär der „Gesellschaft für freie Publizistik“, laut Verfassungsschutz die größte extrem rechte Kulturvereinigung der Bundesrepublik. Richter war des Weiteren bayerischer Landesvorsitzende und Pressesprecher der NPD und ist nun Mitarbeiter des NPD-Abgeordneten Udo Voigt im Europaparlament. Als Parteifunktionär, als langjähriger Autor einschlägiger, extrem rechter Publikationen und vor allem als parlamentarischer Mitarbeiter der sächsischen NPD-Landtagsfraktion brachte Richter nach der Wahl 2008 durchaus Erfahrung mit rechten kommunalpolitischen Strategien mit. Am Beginn seiner Stadtratstätigkeit in München standen zunächst gezielte Provokationen: Bei der Vereidigung der neuen Stadträte im Münchner Rathaus zeigte er den Hitlergruß, zynischerweise in dem Saal, in dem einst NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zu den Novemberpogromen 1938 aufhetzte. Die Pose von Richter wurde auf Fotomaterial gebannt und der Neu-Stadtrat wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen angezeigt. Später brachte ihm die verbotene Geste eine Geldstrafe von 2.800 € ein. Noch am Tag des Hitlergrußes im Alten Rathaussaal reichte Richter dann seine ersten 24 Anfragen und Anträge ein. Zum Teil sind diese in eindeutig rassistischer Diktion geschrieben oder entworfen. Das Stellen rassistischer Anträge sollte seine politische Hauptaktivität als Stadtrat bleiben.

Karl Richter als Redner bei Kundgebung für Holocaustleugner Mahler im Mai 2017. Foto: Marcus Buschmüller
Karl Richter als Redner bei Kundgebung für Holocaustleugner Mahler im Mai 2017. Foto: Marcus Buschmüller

Was sind die „Inhalte“ der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“?

Das Wahlprogramm der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ von 2008, ein neueres wurde bislang nicht veröffentlicht, überträgt im Wesentlichen die Ideologie und die typischen Themen der NPD auf die kommunale Ebene. Grundlage dabei ist unter anderem eine rassistische Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen, die mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten unvereinbar ist.

Die BIA schürt Ängste mit Lügen: vor einer angeblich überbordenden Kriminalität von Menschen mit Migrationshintergrund (die laut BIA-Behauptung von Behörden und Medien verschwiegen werde), vor einem sozialen Abstieg der (O-Ton BIA) „Einheimischen“ wegen einer (Zitat BIA) „ausufernden Privilegierung ethnischer und anderer Minderheiten“. Integration sieht die BIA als nicht möglich und gescheitert an. Die Neonazis der BIA sprechen sich z. B. für ethnisch getrennte Schulklassen bzw. Schulen aus. Ein weiterer „Argumentations“-Strang ist die Hetze gegen eine (O-Ton BIA) „volksfeindliche Globalisierung“. Diese verursache, behauptet die BIA, „Überfremdung“, Zerstörung der deutschen Kultur und „Fremdbestimmung“ durch internationale Konzerne und geheimnisvolle Mächte. Das Gegenmittel sieht die BIA in der deutschen Volksgemeinschaft, dem vom Nationalsozialismus angestrebten Gesellschaftsmodell. Da überraschen auch antisemitische Äußerungen, zynische Provokationen sowie antimuslimischer Rassismus nicht mehr: in einem seiner ersten Anträge (den er zurückziehen musste) forderte Richter z. B. einen „dem Waldschadensbericht der Bundesregierung“ vergleichbaren „Situationsbericht Islamisierung“.

BIA mit rassistischen Parolen im Kommunalwahlkampf 2014. Foto: Marcus Buschmüller
BIA mit rassistischen Parolen im Kommunalwahlkampf 2014. Foto: Marcus Buschmüller

Karl Richter ist ein gefährlicher Demagoge, der das Handwerk der neonazistischen politischen Arbeit gut kennt und für jede Gelegenheit und jede politische Situation den richtigen Ton zu finden versucht: vom schneidigen (inzwischen Ex-)NPD-Funktionär bis zum anscheinend einfühlsamen Kümmerer für soziale Belange. Richter transportierte seine neonazistische Ideologie schließlich über rund 800 Anfragen und Anträge an die Stadtverwaltung, nutzte entsprechende Themen als Ausgangspunkt für zum Teil aggressiv vorgetragene, zum Teil unterschwellige Provokationen und versuchte, den Stadtrat als politische Bühne für ideologische Ausfälle zu instrumentalisieren.

Die BIA hat lange Zeit Aktivistinnen und Aktivisten aus dem neonazistischen Kameradschaftsspektrum eine Aktionsplattform geboten, z. B. der „Kameradschaft München“ oder dem 2014 verbotenen „Freien Netz Süd“. Im Gegenzug bekam Richters BIA von diesen Neonazis wiederum Unterstützung bei der Durchführung von Kundgebungen, Infoständen und Flugblattverteilungen. 2008 arbeitete der Neonaziaktivist Norman Bordin für die BIA München als Pressesprecher. Im Jahr darauf hatte Philipp Hasselbach diese Funktion inne.

 

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