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„Demo für Alle“ – Akteur*innen, Netzwerk und Ideologie

„Le Manif pour tous“ im August 2013 am Münchner Stachus. Foto. Marcus Buschmüller
„La Manif pour tous“ im August 2013 am Münchner Stachus. Foto. Marcus Buschmüller

»Demo für Alle« ist eine Initiative, die im April 2014 in Anlehnung an die französische Bewegung »La Manif pour tous« gegründet wurde. Unter dem gleichen Motto kam es in Paris 2013 zu Massenprotesten, die sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare richteten.

In Deutschland war die Initiative »Demo für Alle« zunächst bei der »Zivilen Koalition e.V.« angesiedelt, die von Beatrix von Storch – stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), ehemals Landesvorsitzende der AfD Berlin, Abgeordnete des EU-Parlaments und dort stellvertretende Vorsitzende der rechtspopulistischen Fraktion »Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD)« – mit ins Leben gerufen wurde. Die Nähe der christlich-fundamentalistischen Bewegung zur AfD sorgte für Kritik, sodass sowohl die Postanschriften getrennt wurden als auch ein Wechsel in den Verantwortlichkeiten stattfand. Heute organisiert Hedwig von Beverfoerde, die bis 7. Dezember 2016 noch Mitglied der CDU war, die »Demo für Alle« von Magdeburg aus. Gleichzeitig ist sie die Sprecherin der konservativen, antifeministischen und LGBTIQ-feindlichen Gruppierung. Die Verantwortung für die »Zivile Koalition e. V.« übernahm Sven von Storch, der Ehemann von Beatrix von Storch. Er agiert von Berlin aus.

Hedwig von Beverfoerde koordiniert neben der »Demo für Alle« auch den deutschen Ableger der europäischen Bürgerinitiative »Mum, Dad & Kids« (»Vater, Mutter, Kind«). Dort verteidigt sie die These: »Weltweit wird ein Krieg geführt gegen Ehe und gegen Familie.« Sie sieht mächtige Lobby-Gruppen der Gender- und Homosexuellen-Bewegung am Werk, die daran arbeiteten, dass sich alle Lebensformen Ehe und Familie nennen dürfen. Damit würden diese in Beverfoerdes Argumentation folglich auch den Boden für Gesetze des fundamentalistischen Islam in Form der Vielehe und Kinderehe bereiten.

 

Die Aktionsformen der „Demo für Alle“

Blaue Jungs und rosa Mädchen auf Fahnen, Bannern, Luftballons und Shirts – die Farben der »Demo für Alle« sind eindeutig: Die Menschen sind männlich und weiblich, mit den ihnen zugeschriebenen Geschlechterrollen und heterosexuellen Identitäten. »Demo für Alle« und ihre Bündnispartner*innen sind in den Bundesländern besonders aktiv, in denen Richtlinien zur Sexualerziehung neu gefasst oder Aktionspläne für Vielfalt an Schulen erarbeitet werden. Die ersten Demonstrationen der »Demo für Alle« fanden deshalb Mitte 2014 in Stuttgart (Baden-Württemberg) statt. Ende des gleichen Jahres folgten dann weitere in Hannover (Niedersachsen). 2016 kam es zu Aufrufen in München (Bayern; es fanden aber keine Demonstrationen statt) und im selben Jahr zu Demonstrationen in Wiesbaden (Hessen).

Inzwischen haben die Akteur*innen der »Demo für Alle« ein Repertoire an Aktionsformen entwickelt, das sie einsetzen, sobald sie ihr Weltbild in Gefahr sehen: Gastkommentare auf ihrer Website leiten zu Aufrufen zu Demonstrationen über, Petitionen sollen die Dringlichkeit verdeutlichen. Briefe an Abgeordnete und politisch Verantwortliche in den Kultusministerien sowie eigene Tagungen zu ihrer Sichtweise auf die Sexualwissenschaft sollen den Druck erhöhen, ebenso wie ein eigener Youtube-Kanal.

Unabhängig von der Aktionsform verunglimpft die »Demo für Alle« neben den Bildungsplänen der entsprechenden Kultusministerien insbesondere

• die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA),
• pro familia,
• die moderne Sexualpädagogik,
• Gender Studies,
• gendersensible Projekte.

 

Das Netzwerk hinter „Demo für Alle“

Die Liste der Bündnispartner*innen und unterstützenden Organisationen liest sich wie das Who‘s who der reaktionären, christlich-konservativen, antifeministischen und LGBTIQ- feindlichen Kräfte Deutschlands. Auf dem Aufruf zu einer Demonstration in München stand unter anderem der Verein »Rettet die Familie e. V.«, dessen Sprecherin Birgit Kelle die antifeministischen Bücher »Dann mach doch die Bluse zu«, »GenderGaga« und »Muttertier« verfasste und die regelmäßig als Gender-Expertin bei CDU-Veranstaltungen auftreten darf. Als Vorsitzende des Vereins »Frau2000Plus e.V.«, der auch Bündnispartner der »Demo für Alle« ist, tritt sie in einer Doppelrolle auf. Die »Christdemokraten für das Leben« mit ihrer stellvertretenden Vorsitzenden Sophia Kuby zählen ebenfalls zu den Unterstützer*innen. Die Tochter der Publizistin Gabriele Kuby trat bereits als Sprecherin beim Marsch für das Leben auf und forderte dort die Einstellung von finanziellen Mitteln für »lebenszerstörende Techniken«, wie sie Schwangerschaftsabbrüche nennt. Auch die »Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur« mit ihrer Unterorganisation »Aktion Kinder in Gefahr« teilt die Thesen der »Demo für Alle«. So prophezeite ihr Leiter Mathias von Gersdorff auf seinem Blog das Ende der Zivilehe, sollten auch homosexuelle Paare ein Recht auf die Ehe bekommen. Die »Initiative Familienschutz«, die zur »Zivilen Koalition e. V.« gehört, ist ebenfalls Teil des Netzwerkes. Untergruppen der CDU, wie die »Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Rhein-Neckar«, machen ebenso mit wie der »Konservative Aufbruch – CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit«. Auf Kundgebungen der »Demo für Alle« sprachen daneben auch die »Christen in der AfD« sowie die »Junge Alternative«.

Zur »Demo für Alle« in Wiesbaden am 30. Oktober 2016 riefen außerdem mehrere AfD-Gruppierungen, aber auch die Rechtsaußen-Parteien »Der III. Weg« und die »NPD Hessen«, die »Autonomen Nationalisten«, die »Identitäre Bewegung« und die »PEGIDA Frankfurt Rhein-Main«-Organisatorin Heidi Mund auf. Auf der Kundgebung distanzierte sich Hedwig von Beverfoerde öffentlich von den rassistischen und antisemitischen Gruppierungen. Sie möchte außerdem auch keine parteipolitische Initiative sein, erklärte sie. Eine Grafik und eine Erklärung auf der »Demo für Alle«-Website anlässlich der Wahl im Saarland am 26. März 2017 legen allerdings offen, zu welcher Partei sie sich hingezogen fühlt: Demnach sind für sie ausschließlich die AfD und die Familienpartei wählbar, denn: »AfD und Familienpartei stimmen mit unseren Äußerungen in allen Punkten überein.«

 

Die Themen der „Demo für Alle“

Im Rahmen der schulischen Sexualerziehung wendet sich die »Demo für Alle« gegen die Einbeziehung externer Sexualpädagog*innen und Ehrenamtlicher der Aufklärungsprojekte. Für »Demo für Alle« und ihre Anhänger*innen ist Sexualaufklärung zuallererst Elternrecht. Damit stellen sie sich gegen den gesetzlich geregelten Bildungsauftrag, den staatliche Bildungseinrichtungen erfüllen müssen.

Daneben erkennen die Akteur*innen der »Demo für Alle« ausschließlich die heterosexuelle Ehe und die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind, an. Leihmutterschaft muss ihrer Meinung nach verboten bleiben. Die Strategie des Gender-Mainstreaming, mit der die Gleichstellung der Geschlechter gefördert werden soll, lehnen die Akteur*innen der »Demo für Alle« ab, da sie in ihren Augen einer Ideologie gleichkomme, die letztlich die Auflösung von Ehe und Familie zum Ziel habe.

 

Aktivitäten in Bayern

Zu den Demonstrationen und Kundgebungen der »Demo für Alle« kommen in anderen Bundesländern mehrere Hundert bis Tausend Menschen. In Bayern blieb die Organisation trotz zweimaliger Ankündigung auf der Straße bislang erfolglos. Sie fand dennoch einen Weg, die bildungspolitischen Inhalte der neuen »Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung an den bayerischen Schulen« zu beeinflussen:
Nach Ablauf des dafür vorgesehenen demokratischen Prozesses trafen sich Hedwig von Beverfoerde, Birgit Kelle und Manfred Spieker für die »Demo für Alle« sowie Sabine Weigert als Vertreterin der Elternaktion Bayern am 12. September 2016 mit dem CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle, um die neuen Richtlinien ihrem Forderungskatalog folgend doch noch abändern zu lassen. Mit Erfolg: Neben anderen Änderungen wurde das Wort »Akzeptanz« in Verbindung mit LGBTIQ aus den Richtlinien gestrichen und durch »Respekt« ersetzt. LGBTIQ-Identitäten seien der Denkweise der »Demo für Alle« nach lediglich Verhaltensweisen, die aufgrund des christlichen Glaubens zwar respektiert, aber – da sie veränderbar seien – nicht akzeptiert werden müssten.

"Demo für Alle" am Karlsplatz/Stachus Anfang September 2017. Foto: Marcus Buschmüller
„Demo für Alle“ am Karlsplatz/Stachus Anfang September 2017. Foto: Marcus Buschmüller

 

Dieser politische Akt zeigt, wie weit der Einfluss der »Demo für Alle« reicht. Inzwischen wurde vor wenigen Monaten auch eine bundesweite Website der sogenannten »Elternaktion « (elternaktion.wordpress.com) online gestellt, mit Hedwig von Beverfoerde im Impressum. Dort werden Eltern dazu aufgerufen, Erfahrungsberichte zur Sexualerziehung an Schulen einzureichen. Außerdem werden LGBTIQ-Projekte namentlich aufgeführt, die in den Aufklärungsunterricht eingeladen werden. Auf der allgemeinen Seite »Queere Bildung« werden diese als überaus gut vernetzte, einflussreiche Lobby-Gruppen ohne pädagogisches Rüstzeug diffamiert. Die Akteur*innen der »Demo für Alle« kämpfen also nicht mehr nur auf der Straße, sie sammeln inzwischen auch Informationen über Pädagog* innen und Projekte, um diese dann zu diskreditieren.

Jüngst waren die Akteur*innen der »Demo für Alle« und viele ihrer Bündnispartner*innen neben zahlreichen maskulistischen Organisationen auch Ideengeber für den »2. Deutschen Gender Kongress«, der am 13. Mai 2017 in Nürnberg stattfand. Zur Bundestagswahl 2017 tourten die »Demo für Alle«-Aktivist*innen Anfang September mit einem „Bus der Meinungsfreiheit“ durch verschiedene Bundesländer und machten dabei auch am Karlsplatz/Stachus in München Station.

Einfluss auf die CSU-Programmatik

Die Bündnispartnerschaft zwischen »Demo für Alle« und »Konservativem Aufbruch – CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit« beeinflusst inzwischen auch die CSUProgrammatik.

Auf dem 81. Parteitag vom 4./5. November 2016 lautete der Titel eines Antrags »Neuen Bayerischen Bildungsplan von Genderideologie befreien«. Im Antrag selbst heißt es u. a. dazu: »Wir wollen Toleranz gegenüber Ausnahmen, aber wir wollen die Ausnahmen nicht so herausstellen, als sei der Regelfall nur eine von vielen gleichwertigen Optionen.« Der Antrag wurde an die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag überwiesen, die dann auch Einfluss auf die Änderungen in den Richtlinien zur Sexualerziehung nahm.

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