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Die „Identitären“ – eine neue (Jugend-)Bewegung am extrem rechten Rand

Der Ursprung der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) liegt in Frankreich. Dort trat die „Génération Identitaire“, die Jugendorganisation des extrem rechten „Bloc Identitaire“, im Oktober 2012 mit einer medienwirksamen Aktion in Erscheinung:
Rund 60 Aktivistinnen und Aktivisten besetzten das Dach eines Moscheeneubaus in Poiters. Ort und Zeitpunkt waren nicht zufällig gewählt. Im Oktober im Jahre 732 n. u. Z. gewann Karl Martell bei Tours und Poiters eine Schlacht gegen die Mauren und stoppte so die weitere Ausbreitung des Islam in Europa, was die Gruppierung mit dem Beginn der so genannten Reconquista, also der christlichen Rückeroberung der iberischen Halbinsel, verbindet.

Aufkleber der Identitären Bewegung. Repro: firm
Aufkleber der Identitären Bewegung. Repro: firm

Ebenfalls im Oktober 2012 störten rund ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten mit Affen- und Schweinemasken einen Caritas-Workshop „Tanz für Toleranz“ in Wien. Sie hinterließen einen Flyer mit dem Slogan „Wir sind die Guten. Zertanz die Toleranz.“ Im gleichen Monat besuchten in Frankfurt am Main vier „Identitäre“ mit Ghettoblaster und Pappschildern die Auftaktveranstaltung der städtischen interkulturellen Wochen. Die Aktion veröffentlichten sie anschließend auf You Tube unter dem Titel „Identitäre Bewegung. Tanz´ die Reconquista FFM“. Dies waren im deutschsprachigen Raum die ersten real sichtbaren Aktionen einer neuen Bewegung am extrem rechten Rand.

„Virales Online-Marketing für kaschierten Rechtsextremismus“

Zum Aktionsrepertoire und zu den Aktionsmitteln der „Identitären Bewegung“ gehören Flashmobs, Ghettoblaster, Technomusik und andere Anleihen an popkulturellen Elementen. Passend dazu bietet „Phalanx-Europa“, der Online Shop der Identitären Bewegung, entsprechend hippe Kleidung, Poster und Aufkleber. Die Erkennungsfarbe der „Identitären Bewegung“ (IB) auf den Fahnen ist Gelb und das dazugehörige schwarze Logo der griechische Buchstabe Lambda. Damit wird u .a. Bezug genommen auf den Spielfilm „300“ in dem 300 Krieger Spartas, deren einziger Lebensinhalt aus dem Kampf besteht, sich heroisch im Bewusstsein des kommenden Todes am Thermopylenpass gegen eine persische Übermacht stellen, um die Invasion Europas aufzuhalten.
Erklärtes Aktionsziel der „Identitären Bewegung“ ist das Eindringen in den öffentlichen Raum. In der Praxis bedeutet dies z. B. kurzzeitige Besetzungen von Parteizentralen, Störungen von Veranstaltungen, Protestaktionen in Fußgängerzonen deutscher Großstädte und das Verkleben von Plakaten und Aufklebern. Ansonsten spielen sich die Aktivitäten bzw. die mediale Selbstinszenierung hauptsächlich im Internet, in sozialen Netzwerken und bei You Tube ab. Grellbunt, ästhetisch modern, vermeintlich witzig sollen die Auftritte der mittlerweile etwa 75 verschiedenen regionalen Facebook-Seiten bzw. Gruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sein. Jugendschutz.net nennt dieses Vorgehen „virales Online-Marketing für kaschierten Rechtsextremismus“.

Neues Design – altbekannte Inhalte

Als programmatisches Ziel verkündet die Gruppierung im Internet:

„Wir Identitäre kämpfen primär für den Erhalt unseres ethnokulturellen Erbes und unserer Identität, gegen demographischen und kulturellen Verfall, gegen Multikulti, Masseneinwanderung und Islamisierung“

Sie propagiert damit das Konzept des Ethnopluralismus, d. h. eine ideologische Richtung der extremen Rechten, nach der Völker ihre Identität nur als ethnisch homogene Gemeinschaften ohne Vermischung mit anderen bewahren könnten. „100% identitär, 0% Rassismus“ heißt der dazu gehörige Slogan der IB. Die Unterscheidung der Nationen durch eine angebliche biologische Höherwertigkeit bestimmter Völker wie im Nationalsozialismus wird dabei vermieden und stattdessen von kulturellen Unterschieden gesprochen. In einer auf You Tube veröffentlichten so genannten Kriegserklärung der Génération Identitaire heißt es jedoch:

„Wir sind die Generation der ethnischen Spaltung, des totalen Scheiterns des friedlichen Zusammenlebens und der erzwungenen Mischung der Rassen. […] Unser einziges Erbe ist unser Land, unser Blut, unsere Identität“ (Kriegserklärung 2013).

Die „Identitäre Bewegung“ wirft den Befürwortern einer multikulturellen Gesellschaft vor, für eine allgemeine Orientierungslosigkeit verantwortlich zu sein. Aufgabe der IB sei es nun, in der Rückbesinnung auf die eigene Geschichte, Heimat und Kultur, den Zerfall und den Verlust der Identität aufzuhalten. Als Feindbild dient dabei neben dem Islam, vor allem die 1968er Generation, die von der IB für den Verlust von Werten, Moral, christlich-abendländischer Tradition, des europäischen Erbes und die drohende Islamisierung verantwortlich gemacht wird. Die IB ist „für die Durchsetzung des wahren Volkswillens, der nicht in der Abschaffung Deutschlands und der Islamisierung bestehen kann“ und kämpft „gegen den religiösen Totalitarismus des Islam, der in die demographischen Lücken Europas eindringt“. Begriffe mit positiven Bezug sind für die IB: „Reconquista, Jugend an die Macht, Heimat, Freiheit, Tradition, Identität, Patriotismus, das Eigene, Einheimische, usw.“

Dem Kreis der Aktiven der IB gehören u.a. Mitglieder eines elitär studentisch rechtsintellektuellen Milieus als auch ehemalige Aktivisten neonazistischer Parteien und Organisationen an.

Seit November 2012 ist auch die „Identitäre Bewegung München“ mit einer Facebook-Seite im Internet vertreten und gleichzeitig tauchten auch die ersten Identiären-Sticker im Stadtbild auf. Mittlerweile informiert die regionale Facebook Seite „ Identitäre Bewegung Bayern“ über die Aktivitäten des Münchner Ablegers. Ein Kreis von ca. 20 Personen trifft sich unregelmäßig zu einem Stammtisch in Münchner Gaststätten.

2016 führte die Identitäre Bewegung München drei öffentlichkeitswirksame Aktionen durch. So fand am 31.07.2016 die erste und bisher einzige Kundgebung der Identitären unter dem Motto „ Integration ist eine Lüge- Remigration“ vor der Staatskanzlei in München statt. Unter den 50 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet befanden sich aber nur wenige Aktivist*innen aus dem Münchner Raum. Im Dezember 2016 hissten Mitglieder der Identitären Bewegung München ein Banner mit der Aufschrift „ Minga ist Identitär“ von dem verkleideten Turm der Frauenkirche. Wenige Tage später versuchte eine ca. 20 köpfige Gruppe der Identitären Bewegung eine Podiumsdiskussion auf dem Tollwood Winterfestival zu stören, beschränkte sich dann aber darauf, die anschließende  Fragerunde mit Wortbeiträgen zu steuern.

Kundgebung der Identitären Bewegung in München Ende Juli 2016. Foto: Robert Andreasch
Kundgebung der Identitären Bewegung in München Ende Juli 2016. Foto: Robert Andreasch

Der Münchner Ableger der Identitären ist auch stark mit der rechtsextremen Burschenschaft „Danubia“ verknüpft. Neben personellen Überschneidungen zwischen Aktivsten der Identitären Bewegung München und der Aktivitas der Danubia tauchten nach dem Umzug der Danubia nach Schwabing im August 2016 im Umfeld der Burschenschafts-Villa immer wieder Sticker und Graffitis mit identitärem Inhalt auf.

Ebenso scheint auch die bayrische AfD den jugendkulturellen Arm der neuen Rechten zu hofieren. Der Landesvorsitzende der AfD in Bayern Petr Bystron begrüßte so z.B. ausdrücklich bei einer Rede im Rahmen einer Veranstaltung der AfD in Geretsried im März 2016, die Mitglieder der Identitären Bewegung. Noch deutlicher zeigte Bystron seine Sympathie für die Identitäre Bewegung ein Jahr später. Während einer Veranstaltung der AfD in Maisach im März 2017, nannte Bystron die Identitäre Bewegung „eine Vorfeldorganisation der AfD“.

Nicht mehr nur virtuell – die IB verstärkt Aktivitäten auf der Straße

Für jugendschutz.net setzt die „Identitäre Bewegung“ zum einen „auf das Verbreitungs- und Mobilisierungspotenzial des Social Web“ und berge zum anderen durch „das rebellische, junge und dynamische Auftreten ein niedrigschwelliges Aktionspotential“.

Mittlerweile ist die Identitäre Bewegung verstärkt auf der Straße aktiv. Im Mai 2014 , Juni 2015 sowie im Juni 2016 gab es jeweils europaweit beworbene Demonstrationen in Wien. Hierbei stieg die Anzahl der Teilnehmenden von 250 Personen im Jahr 2014 auf 750 Personen im Juni 2016. Die Identitäre Bewegung trat z.B. auch auf den wöchentlichen Demonstrationen von PEGIDA-München auf, lief sogar mit Transparent, Parolen vorgebend, in der ersten Reihe mit.

Identitäre Bewegung an der Spitze mit PEGIDA Muenchen Foto Marcus Buschmueller
Identitäre Bewegung an der Spitze mit PEGIDA Muenchen Foto Marcus Buschmueller

Und unter dem Motto „Festung Europa. Macht die Grenzen dicht“ war die Identitäre Bewegung ebenfalls sehr aktiv bei den rassistischen Demonstrationen gegen Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen bzw. österreichisch-slowenischen Grenze. Hintergrund war eine von der „Identitären Bewegung Österreich“ ausgehende politische Kampagne mit dem Namen „Der große Austausch“. Darin behauptet die IB, dass es einen von Politik und Medien vertuschten Plan gäbe, die einheimische Bevölkerung durch Migrantinnen und Migranten auszutauschen:

„Der Große Austausch ist der Prozess, der dazu führt, dass die seit Jahrtausenden angestammte Bevölkerung Deutschlands und Europas in nur wenigen Jahren durch außereuropäische Einwanderer ausgetauscht wird. (…) Am Ende steht unser Verschwinden und Ausscheiden als Volk, Völkerfamilie und Kulturraum.“

Egal wie modern, hip und popkulturell affin sich die „Identitäre Bewegung“ auch geben mag. In ihrer Propaganda und ihren Aktivitäten gegen Zuwanderung und Geflüchtete, gegen eine angebliche Islamisierung und „Multi-Kulti Wahn“ ist sie ein Teil der rassistischen Mobilisierung auf der Straße und in den sozialen Netzwerken.

 

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