Zwischen organisiertem Rechtsextremismus und subkulturellem Kameradschaftsmilieu
Am 20. April 2014, dem 125. Geburtstag von Adolf Hitler, gründete der Neonazi Philipp Hasselbach den ersten bayerischen Kreisverband (KV) der neonazistischen Partei „Die Rechte“ in München. Danach folgten zwischen Januar und Mai 2015 die Gründungen von Kreisverbänden in Nürnberg, Bamberg und Rosenheim. Die Bildung eines Landesverbandes Bayern fand bei einem Landesparteitag Pfingsten 2015 statt. Der bis dahin schleppende Aufbau der Parteistrukturen wurde also deutlich forciert. Ein ehemaliger Gasthof im unterfränkischen Kolitzheim/Ortsteil Stammheim (Landkreis Schweinfurt) sollte zudem als Geschäftsstelle, Veranstaltungsort und Unterkunft für Aktivist_innen der Partei dienen. Dies wurde allerdings behördlicherseits verboten.
Auch in München selbst, wo die Organisation laut Behördenangaben etwa ein Dutzend Anhänger hat, verstärkte sie 2015 ihre Aktivitäten deutlich. Neben der Teilnahme an und der Mobilisierung zu einigen PEGIDA (damals noch BAGIDA)-Aufmärschen, fanden mehrere Flugblattverteilaktionen und Kundgebungen in verschiedenen Münchner Stadtteilen statt.
Provokative Aktionen
Mit mehreren Aktionen versuchte „Die Rechte“ 2015 in München zu provozieren. Anfang Februar stellten Aktivist_innen bei einer Kundgebung unter dem Motto „Keine IS-Kopfabschneider auf deutschem Boden – Widerstand jetzt!“ vor dem Neuperlacher Einkaufszentrum PEP eine Enthauptungsszene nach um gegen eine angebliche Islamisierung zu demonstrieren. Anfang März organisierten sie eine Kundgebung vor dem Strafjustizzentrum in der Nymphenburgerstraße zum NSU-Prozess. Hasselbach bezeichnete dort in einer Rede den Prozess als „Show“, die Angeklagten Ralf „Wolle“ Wohlleben, Beate Zschäpe und André Eminger als „Aufrechte, die sich nicht von Willkür und Repression beeindrucken ließen“. Außerdem verkündete er: „Wir sind unangepasst, haben große Ziele und Idealismus und wir sagen: der Tag wird kommen, an dem abgerechnet wird. Nicht nur hier in der NSU-Show (…). Wir von der Partei „Die Rechte“ und wir als der deutsche Widerstand, werden nicht zulassen, wie die etablierten Volksverräter sich an der deutschen Rasse versündigen.“
Ende März 2015 führten fünf Aktivist_innen der neonazistischen Partei an einem Freitagnachmittag 15 kurze Kundgebungen gegen Asylsuchende im Münchner Norden durch. Die Versammlungen richteten sich insbesondere gegen das geplante Ankunftszentrum für Asylsuchende in der Lotte-Branz-Straße im Euroindustrie-Park. So hetzte „Die Rechte“ in einer Presseerklärung: „Schon die Erfahrungen mit der Bayernkaserne haben gezeigt, daß im Umfeld von Asylbewerbern verstärkt mit Kriminalität, Verunreinigungen und Belästigungen zu rechnen ist. Es reicht!“
Die neonazistischen Aktivitäten in der Landeshauptstadt richten sich auch gegen das NS-Dokumentationszentrum München. Am Eröffnungstag am 30. April 2015 demonstrierte „Die Rechte“ vor dem Amerikahaus unter dem Motto „Gegen antideutschen Schuldkult – Weg mit dem NS-Dokumentationszentrum“ nicht zuletzt für „den sofortigen Abriss des NS-Dokumentationszentrums“. Im Aufruf zur Kundgebung hieß es u. a. „Letztlich fühlt sich die heutige ‚Erinnerungskultur‘ in erster Linie Juden, Zigeunern und anderen Minderheiten verpflichtet. Vertriebene, Kriegsgefangene und andere Opfergruppen geraten dabei vollkommen zu Unrecht in den Hintergrund.“
Philipp Hasselbach – langjähriger Neonaziaktivist
„Die Rechte“-Funktionär Philipp Hasselbach (Jg. 1987) kam erst im Februar 2014 nach mehrjähriger Haft aus dem Gefängnis. Sofort unterstützte er den damals sich im Kommunalwahlkampf befindlichen Karl Richter von der neonazistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ München (BIA), für den er dort bereits 2009 als Pressesprecher tätig war. Dieser wiederum revanchierte sich bei der Kreisverbandsgründung mit einem Grußwort. Auch danach half Hasselbach Richter z. B. als Chauffeur bei einigen BIA-Kundgebungen rund um die Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Bayernkaserne im Münchner Norden im Sommer und Herbst 2014.
Hasselbach startete seine politischen Aktivitäten in der nordrhein-westfälischen Neonaziszene. 2005 zog er nach München. 2006 war Hasselbach Aktivist der Jungen Nationaldemokraten (JN) Bayern, der Jugendorganisation der NPD. 2009 trat er als Direktkandidat für die NPD im Wahlkreis München-Land zur Bundestagswahl an und engagierte sich in der BIA München. Als Funktionär der „Freien Nationalisten München“ organisierte Hasselbach mehrmals so genannte, an nationalsozialistische Tradition anknüpfende, „Heldengenkmärsche“ in München, bei denen unter dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten“ bis zu 150 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet aufmarschierten.
Die Partei „Die Rechte“
„Die Rechte“ wurde als Alternativpartei zur NPD bzw. der Fusion von NPD und „Deutsche Volksunion“ (DVU), unter Federführung des bundesweit bekannten Neonazis Christian Worch und ehemaligen Mitgliedern der inzwischen aufgelösten DVU, Ende Mai 2012 in Hamburg gegründet. Worch ist der aktuelle Bundesvorsitzende der ca. 500 Mitglieder zählenden Partei. Mittlerweile sind auch viele Kameradschaftsaktivisten Mitglieder, die damit auf Organisationsverbote wie z. B. dem des „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO) in Nordrhein-Westfalen (NRW) reagierten. In NRW ist die Neonazipartei bislang am aktivsten und gilt dort vielen Expert_innen als Nachfolgeorganisation u. a. eben jenes verbotenen NWDO. Inhaltlich nationalistisch und rassistisch will „Die Rechte“ – so die Selbstdarstellung – „radikaler als die Republikaner und die ‚Pro Bewegung‘ sein, aber weniger radikal als die NPD“. Name und Logo sind bewusst an die Partei „Die Linke“ angelehnt, um einen „Gegenpol“ zu schaffen. Es finden sich gängige Forderungen bzw. Programmpunkte der extremen Rechte wieder, etwa die „Wahrung der deutschen Identität“, die „Aufhebung der Duldung von Ausländern“ und der „Schutz des Volkes vor Übergriffen“. Doch das insgesamt vermutlich bewusst bieder gehaltene Parteiprogramm ist wohl nicht mehr als Makulatur, ebenso das darin befindliche Bekenntnis zum Grundgesetz. Viel wichtiger sind die Aktionen im öffentlichen Raum und gezielt eingesetzte Provokationen, um in die Medien zu kommen.
Fester Programmpunkt: Antisemitismus
Die nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen geführte Debatte über die Sicherheitslage von Jüdinnen und Juden in Europa nutzte auch „Die Rechte“ zu Propagandaaktionen. Die Aufforderung des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zur Auswanderung nach Israel aufgreifend, verschickte „Die Rechte Sachsen“ beispielsweise One Way Boarding Pässe an jüdische Organisationen.
Im Dortmunder Stadtrat stellte Dennis Giemsch, der Vertreter der Partei „Die Rechte“, eine Anfrage, in der er nach der Zahl und den Wohnorten der in Dortmund lebenden jüdischen Menschen fragte. „Ein bewusster Tabubruch“ wie es auf einem von Giemsch betriebenen Blog heißt. Ein anderer Dortmunder Funktionär der Neonazi-Partei, Michael Brück, betreibt einen Online Versandhandel mit dem Namen antisem.it.
Aktuelles und Ausblick
Im Oktober 2015 fand eine Polizeirazzia gegen Aktivist_innen u.a. des KV Bamberg der Partei „Die Rechte“ statt. Grund war der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Vorbereitung schwerer Straftaten. Bei den Durchsuchungen wurde neben zwei sogenannten Kugelbomben und weiterer illegaler Pyrotechnik auch eine scharfe 9mm-Pistole samt Munition gefunden. Die Aktivitäten ließen daraufhin 2016 merklich nach, nur in Nürnberg und München kam es zu einigen Kundgebungen und Flugblattverteilaktionen. Am 19. Dezember 2016 hielt Philipp Hasselbach eine Rede bei einer PEGIDA-München Kundgebung. Anfang Januar 2017 trat er bei einer gegen das Verbotsverfahren gerichteten NPD-Kundgebung auf dem Münchner Marienplatz als Redner auf. Ende Mai 2017 führte „Die Rechte“ vor dem ungarischen Generalkonsulat eine Solidaritätskundgebung für den Holocaustleugner Horst Mahler durch. Neben Hasselbach traten dort auch die NPD-Funktionärin Renate Werlberger und der Neonazi Karl Richter von der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA-München) als Redner auf.
Mit der Partei „Die Rechte“ versucht neben der Partei „Der Dritte Weg“ eine zweite neonazistische Organisation unter Ausnutzung des Parteienprivilegs in Bayern Fuß zu fassen. Größere Wahlerfolge werden sich beide auf Grund ihrer inhaltlichen und praktizierten Radikalität nicht erhoffen. Die Hinwendung zur Parteipolitik ist insofern im Wesentlichen als strategischer Schachzug zu sehen. Denn der Status als Partei bietet immense praktische Vorteile z. B. bei der Anmeldung von Demonstrationen, Konzerten und anderen Veranstaltungen. Beide Gruppierungen stehen in Konkurrenz zur weiter schwächelnden bayerischen NPD, beide richten sich vornehmlich an die Kameradschaftsszene und das unorganisierte neonazistische subkulturelle Milieu.
Aufklärungsarbeit und Protestaktionen der Zivilgesellschaft gegen diese Gruppierungen sind richtig und wichtig. Doch genauso sind die staatlichen Behörden dazu anzuhalten, bei der „Rechten“ wie beim „Dritten Weg“ den Parteienstatus zu überprüfen und rechtzeitig, nicht erst nach Jahren des Zusehens und der Untätigkeit, repressive Maßnahmen zu ergreifen, bevor sich diese Sammelbecken militanter Neonazis zu juristisch schwer angreifbaren Strukturen ausgebildet haben.