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Grauzonen-Rock – Musikalische Einstiegsdroge in rechte Lebenswelten?

„Nur weil ich stolz auf meine Heimat bin, bin ich noch lang kein Nazi“. Solche oder ähnliche Statements bekommt man mittlerweile des Öfteren von Anhänger*innen der sogenannten Grauzone an den Kopf geworfen, sobald inhaltliche Kritik an populären Deutschrock-Bands wie „Frei.Wild“ und Co. laut wird. Was einst als Huldigung an die Wegbereiter des Deutschrocks „Die Böhsen Onkelz“ begann, konnte sich nun als Massenphänomen in der Musikszene etablieren und sich auch jenseits von subkulturellen Strömungen fest in der musikalischen Landschaft verankern. Inklusive Millionenumsätze, Festivalauftritte, Echo-Nominierungen und ausverkaufte Arenen. Doch wie ist dieser konservative Rollback in der Jugendkultur zu erklären?

Zuerst muss geklärt werden, was eigentlich unter dem Wort Grauzone zu verstehen ist. Es handelt sich hierbei um ein recht heterogenes Gebilde aus Bands, Veranstalter*innen, Labels und Musiker*innen, die sich selbst und ihre Musik als unpolitisch darstellen, oft aber inhaltliche, strukturelle oder persönliche Verbindungen zu extremen Rechten haben oder zumindest rechte Handlungen und Aussagen auf ihren Konzertveranstaltungen dulden.

Grauzonenbands. Collage: firm
Grauzonenbands. Collage: firm

Der Ausgangspunkt für die sich neuformierende Stillrichtung dieser Musikszene kann etwa auf das Jahr 2006 datiert werden. Zu Ehren der gerade aufgelösten „Böhsen Onkelz“ wurde die G.O.N.D (= Größte Onkelz Nacht Deutschlands) ins Leben gerufen. Bereits im ersten Jahr dieses Festivals trat dort die damals noch kaum bekannte Südtiroler Band „Frei.Wild“ auf. Gleichzeitig wurde durch die im gleichen Jahr stattfindende Fußballweltmeisterschaft wieder ein positiver Bezug zu Nationalismus und Patriotismus in Deutschland hergestellt. Daher ist es wenig verwunderlich, dass dieses neue Nationalgefühl auch in der Subkultur spürbar und im Rahmen von patriotischen Texten verarbeitet wurde. Im Laufe der Jahre manifestierte sich die G.O.N.D zunehmend als Sprungbrett weiterer Grauzonen Bands wie z.B. „Krawallbrüder“ und „Kneipenterroristen“.

So wie vor 10 Jahren der positive Bezug auf ein neues „Wir-Gefühl“ in Deutschland das Entstehen einer konservativen, nationalistischen Subkultur begünstigte, so profitiert die Grauzone heute von der zunehmenden Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts. In Zeiten von PEGIDA ist es auch nicht verwunderlich, wenn Bands mit nationalistischen und völkischen Inhalten weiterhin großen Zulauf verzeichnen können und sich aus einer Sparte heraus Richtung Mainstream entwickeln.

Grauzone in München

Bereits Ende 2010 trat die mittlerweile wohl bekannteste Grauzonen-Band „Frei.Wild“ in München auf. Parallel fand tagsüber an diesem 13. November der so genannte Heldengedenkmarsch der Freien Nationalisten München statt. Phillip Burger, der Sänger von „Frei.Wild“ mit Neonazi-Vergangenheit, nahm an diesem Konzertabend sogar kurz Bezug auf den Naziaufmarsch und bezeichnet ihn als „lasch“. Burgers patriotische Texte über Heimat, Volk und Tradition schienen insgesamt wohl auf fruchtbaren Boden zu fallen, die Halle war jedenfalls gut gefüllt.

Durch die wachsende Popularität und den zunehmenden kommerziellen Erfolg der Südtiroler Band bespielte „Frei.Wild“ vier Jahre später die Olympiahalle München mit mehreren 1000 Zuschauern.

Doch neben „Frei.Wild“ entstanden in den letzten Jahren immer mehr sogenannte Deutschrock-Bands, die sich im Fahrwasser der Südtiroler entwickelten. Ebenso wuchs auch die entsprechende Fanszene mit. Gerade junge männliche Erwachsene scheinen von der pseudo-rebellischen Attitüde solcher Bands besonders angezogen zu werden. Hierbei werden konservative bürgerliche Werte wie Arbeitsethos, Familie und Nationalstolz mit einer rein ästhetischen Rebellion verknüpft. Es wird sich trotzig von Mainstream, Medien und Politik abgrenzt. Trotz Charterfolgen geben sich Musiker und Fans gern als Underdogs und Rebellen.

Auf Konzerten ist vor allem die Dominanz von Männlichkeit sowohl auf als auch neben der Bühne deutlich zu spüren. Hierbei werden deutliche Ausgrenzungsmechanismen wie Sexismus und Homophobie klar sichtbar.

Diese offenen rechten Lebenswelten eignen sich natürlich ideal für rechtsaffines Publikum. So nahmen im April 2015  mehrere Personen aus dem Umfeld der Neonazi-Hooligan-Gruppierung „Brigade Giesing“ an dem Konzert der „Krawallbrüder“ in München teil. Darüber hinaus waren Anhänger der extrem rechten „Wodanbruderschaft“ zugegen. Beide Gruppierungen sind regelmäßige Stammgäste bei PEGIDA München und haben enge Verbindungen zu rechten Parteien wie „Der III. Weg“. Gleichzeitig bestehen enge personelle Kontakte zwischen verurteilten Rechtsterroristen und Kadern der „Brigade Giesing“.

Während des Konzerts kam es wiederholt am Anfang sowie am Ende des Konzerts zu „Sieg Heil“-Rufen und vereinzelten Hitler-Grüßen. Das stark alkoholisierte Publikum quittierte diese Straftaten mit Beifall. Weder die Band noch Securitys reagierten auf diese Vorkommnisse, obwohl sich die Ereignisse zwischen den Songs abspielten und somit auf der Bühne gut hörbar waren.

Hier werden noch einmal die Gefahren deutlich, die bei solchen Konzerten auftreten, selbst wenn die Bands inhaltlich keine rechten Standpunkte vertreten. Sowohl rechts motivierte Straftaten als auch offen agierende rechte Gruppierungen werden von dem Grauzonen-Publikum akzeptiert und toleriert. Diese falsche Toleranz gegenüber extrem rechten Handlungen und Konzertbesucher*innen kann dazu führen, dass aus einer Minderheit von rechten Personen schnell eine Mehrheit wird. Daher bietet die Grauzonen-Musik-Szene einen idealen Nährboden, um rechtes Gedankengut zu verbreiten und so Nachwuchs zu rekrutieren.

Gerade in der momentanen politischen Debatte um Asylsuchende ist es wichtiger denn je, rechte Agitationsstrategien zu enttarnen und ihnen entgegen zu treten. Hierbei sind auch Veranstalter*innen gefragt, sich klar und deutlich von rechtem Zielpublikum zu distanzieren. Um solche Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen, ist es durchaus sinnvoll, im Vorfeld Band und Zielpublikum genau zu analysieren und abzuwägen, ob diese Veranstaltung wirklich durchgeführt werden sollte. Daher ist es oft ratsam, entsprechende Bands nicht zu buchen und so die Gefahr einer Unterwanderung durch rechtes Publikum zu verhindern.

Gut geschultes Sicherheitspersonal kann zwar rechte Symbole und Kleidung am Eingang erkennen, doch das rechte Gedankengut in den Köpfen kann auch das beste Sicherheitsteam nicht aussortieren. Deshalb sollten Veranstalter und Booker gänzlich auf Konzerte von Bands aus dem Grauzonenbereich verzichten.

 

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